„Eine Genehmigung wäre rechtswidrig“

■ Der renommierte Atomrechtsexperte Reiner Geulen zum Streit um den Hahn-Meitner-Reaktor in Berlin

INTERVIEW

taz: Berlins Umweltsenatorin Schreyer hat jetzt dem Hahn -Meitner-Institut definitiv die Genehmigung für seinen Reaktor verweigert. Wie groß war dabei ihr rechtlicher Spielraum?

Reiner Geulen: Dieser rechtliche Spielraum existiert nicht. Frau Schreyer mußte jetzt entscheiden, dies war auch der Wunsch des HMI, und es war zwingend, daß die Betriebsgenehmigung abgelehnt werden mußte, weil der Entsorgungsnachweis auf unabsehbare Zeit nicht vorhanden ist.

Das HMI hat als Entsorgungsnachweis die Zwischenlagerung in Schottland angeboten.

Ein Entsorgungsnachweis kann nach der Praxis aller Bundesländer nur in der Form der Wiederaufarbeitung erfolgen, also in der Verwertung der abgebrannten Brennelemente. Der Entsorgungsnachweis will ja gerade eine längerfristige Zwischenlagerung ausschließen. Was das HMI hier angeboten hat, kann die Forderung einer gesicherten Entsorgung ganz unstreitig nicht erfüllen. Kein Bundesland würde dem HMI eine Genehmigung erteilen. Was hier als Entsorgung angeboten ist, unterschreitet auch den Standard der CDU-Bundesländer.

Hätte es nicht dennoch eine Möglichkeit für irgendeine Form des Kompromisses gegeben?

Es gab diese Möglichkeit nicht mehr. Auch eine Genehmigung unter Auflagen scheidet aus. Das HMI hat lediglich die Möglichkeit, den Genehmigungsantrag neu zu stellen, sobald es die Entsorgung gewährleisten kann.

Der Regierende Bürgermeister Momper hat die Senatorin ungeachtet der Entsorgungsprobleme angewiesen, den Reaktor zu genehmigen.

Das war wohl eher eine Empfehlung als eine Anweisung. Es ist evident, und das sieht wohl auch Herr Momper nicht anders, daß es sich hier um eine ausschließliche Entscheidungsbefugnis der Umweltsenatorin handelt.

In anderen Bundesländern hat in solchen Fällen Umweltminister Töpfer per Weisung interveniert. Kann er das auch in Berlin?

In Berlin existiert dieses Weisungsrecht nicht, weil hier noch die alliierten Vorbehaltsrechte gelten. Erst wenn diese Rechte in den nächsten Wochen aufgehoben werden, ändert sich die Rechtslage. Allerdings kann auch dann keine Weisung aus Bonn ergehen, weil eine Genehmigung für den HMI-Reaktor rechtswidrig wäre. Gegen eine Weisung könnte das Land Berlin wiederum beim Bundesverwaltungsgericht klagen.

Haben Sie beim HMI kein Deja-vu?

Die Situation erinnert natürlich fatal an die letzten Wochen der hessischen rot-grünen Koalition. Damals hat Wirtschaftsminister Steger eine Weisung vom damaligen Bonner Umweltminister Wallmann erbeten, um den erbitterten Widerstand der Grünen gegen die „Alkem“ zu brechen. Ergebnis dieses Streits war der Mehrheitsverlust der Koalition und der Regierungswechsel.

Interview: Manfred Kriener