Rote Karte für Westberliner HMI-Reaktor

■ Umweltsenatorin Schreyer entscheidet selbst: Keine Genehmigung für das Forschungsprojekt / Momper: „Das ist ein Affront“

Von Hans-Martin Tillack

Berlin (taz) - Umweltsenatorin Michaele Schreyer ließ nichts anbrennen. Noch am Dienstag abend war die AL -Politikerin von der SPD-Mehrheit im Senat „verpflichtet“ worden, den Forschungsreaktor des Hahn-Meitner-Instituts (HMI) innerhalb von zwei Wochen zu genehmigen. Am Freitag tat sie genau das Gegenteil: Sie stellte dem Institut einen Negativ-Bescheid zu, weil „eine gesicherte Entsorgung“ des Atommülls „nicht nachgewiesen“ worden sei. An den Senatsbeschluß fühle sie sich nicht gebunden, weil er ein rechtswidriger Eingriff in ihre Ressortkompetenz sei.

Die Reaktion der überrumpelten Westberliner SPD-Spitze fiel am Samstag noch vergleichsweise milde aus. Schreyers Schritt sei „ein Affront gegen den Senat“, erklärte ein Sprecher des auf Rügen weilenden Regierenden Bürgermeisters Walter Momper. Die Umweltsenatorin habe überdies ihre „Pflicht verletzt“, weil sie Momper die gewünschte Einsicht in die Genehmigungsunterlagen verweigert habe. Das Stadtoberhaupt hatte die Akten - insgesamt 40 Ordner - „im Original“ angefordert, verbunden mit der Bitte, zunächst „keine Entscheidung zu treffen oder treffen zu lassen“. Seine Hoffnung, die störrische Koalitionspartnerin im letzten Moment zu bremsen, erfüllte sich nicht. Die Umweltsenatorin drückte ihrerseits auf die Tube und ließ den Anwälten des HMI den Negativ-Bescheid übergeben.

In dem 26seitigen Brief bekräftigt Schreyer ihre Meinung, der bisher vorgelegte Entsorgungsplan für die abgebrannten Brennstäbe - eine Zwischenlagerung im schottischen Dounreay

-erfülle nicht die Anforderungen der einschlägigen Gesetze und Richtlinien. Das Institut hat bereits angekündigt, gegen den Bescheid Klage beim Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die SPD jedoch ist erst einmal ratlos. Nach der Berliner Verfassung hat Momper nicht dieselbe Machtvollkommenheit, wie - beispielsweise - der einstige hessische Ministerpräsident Holger Börner. Der konnte seinen grünen Minister Joschka Fischer per Federstrich des Amtes entheben, Momper dagegen kann nicht nach Belieben SenatorInnen entlassen und berufen.

Die Westberliner SozialdemokratInnen diskutieren jetzt zwei Möglichkeiten, die Umweltsenatorin doch noch klein zu kriegen. Erstens: Einige SPD-Abgeordnete machen gemeinsame Sache mit der CDU-Opposition und verhelfen dem Mißtrauensantrag gegen Schreyer, den die CDU diese Woche ins Landesparlament bringen will, zu einer Mehrheit. Zweite Variante: Der Senat entzieht Schreyer die Atomaufsicht und rollt das Reaktorverfahren noch einmal auf. Beide Lösungen würden jedoch - wenige Monate vor den Gesamtberliner Wahlen

-zum Bruch der rot-grünen Koalition führen. Viele Sozialdemokraten fragen sich, ob ein Bruch an diesem Punkt nicht eher den Wahlkampf der AL beflügeln würde als den eigenen.