Gewerkschaft will E-Werk kaufen

■ Großbritannien: Bergbau-Streikbrecher bieten bei PowerGen mit / Deren Gewerkschafter lehnen ab

Aus London Jerry Sommer

Die Privatisierung der britischen Elektrizitätsindustrie ist beschlossene Sache. Diesen Herbst soll dieses mit über acht Milliarden Pfund oder 24 Milliarden DM größte Projekt in Thatchers elfjährigem Entstaatlichungsprogramm in die entscheidende Verkaufsphase eintreten.

Doch über das „Wie“ der Privatisierung ist Streit entbrannt, nachdem die konservative Regierung ihre ursprüngliche Absicht aufgegeben hat, PowerGen, das kleinere der beiden staatlichen Energieunternehmen, auf dem allgemeinen Aktienmarkt zu verhökern. Stattdessen gestattete sie dem reichen Unternehmer Lord Hanson, der auch stetig die Wahlkampfkasse der Tories zu füllen hilft, ein generelles Angebot für die Übernahme von PowerGen zu unterbreiten. Ein solches Angebot über 1,5 Milliarden Pfund, etwa 4,5 Milliarden DM, wird für Ende dieser Woche erwartet.

Die drohende Übernahme von PowerGen hat nun unter anderem die Union of Democratic Mineworkers (UDM) auf den Plan gerufen, die allerdings keine Mitglieder in den Energieunternehmen hat. Die UDM hatte sich während des Bergarbeiterstreiks 1984 von der Gwerkschaft National Union of Mineworkers (NUM) abgespalten und sich für ihre Streikbrecherdienste einiges Lob von der Regierung eingefangen. UDM-Chef Roy Link hat jetzt mit Unterstützung der großen City-Investment-Firma Legal&General sein Interesse für den Kauf von PowerGen angemeldet.

Sein Motiv: „Ich möchte die Jobs der britischen Bergleute sichern.“ Diese wären durch Lord Hanson gefährdet, da dieser der Besitzer von Kohlegruben in den USA ist. Er würde sicherlich lieber seine Kohle an seine PowerGen verkaufen, statt die bis 1993 bestehende Verpflichtung von PowerGen zu verlängern, nur britische Kohle zu verfeuern. Außerdem, so setzt Roy Link die ökologische Zeitstimmung für seine Public Relations ausnutzend hinzu, wolle die UDM die Regenwälder erhalten: „Dort nämlich wird in Zukunft Kohle für Billigimporte abgebaut.“

Nach dem UDM-Plan sollen die bisherigen Manager sowie das Personal von PowerGen einen Aktienanteil von etwa 15 Prozent erwerben können. Die UDM werde selbst auch einen kleinen Anteil kaufen, während der Rest der 1,5 Milliarden Pfund von Banken und anderen zur Verfügung gestellt werden soll.

Die konservative Regierung hat das UDM-Angebot hinter den Kulissen begrüßt, berichten britische Medien. Schließlich macht es sich gut für eine Regierung, die den „Volkskapitalismus“ propagiert, wenn sich jetzt Gewerkschaften auf dem Unternehmensmarkt engagieren. Ablehnung hat das Angebot jedoch bei den in der britischen Energieindustrie tätigen Gewerkschaften hervorgerufen.

Eigentlich lehnen sie jegliche Privatisierung ab, doch diese Position ist unrealistisch geworden. Deshalb treten sie für einen Verkauf von PowerGen an der Börse ein. Nur wenn die Regierung dies endgültig ablehnt, werden sie einen eigenen Übernahmeplan verfolgen. Dieser sieht einen gemeinsam von PowerGen-Management und -ArbeitnehmerInnen angeführten Aufkauf ihrer eigenen Firma vor. Sie würden etwa 15 Prozent besitzen; das restliche Geld wird von anderen Unternehmen beigesteuert. Unter anderen soll auch die bundesdeutsche Veba ihr Interesse bekundet haben, bei diesem Projekt mit 15 Prozent einzusteigen. Gewerkschaftssprecher John Lyons: „Wir wollen nicht, daß irgendein Spezialinteresse wie Kohle in den Unternehmen dominieren kann.“