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Okay für Telefonsex

■ Dienst über den heißen Draht ist legaler Job Urteil: Arbeitsvertrag verstößt nicht gegen gute Sitten

Sie inserieren vor allem in der Zeitung mit den großen Buchstaben. „Telefonhostessen“, „diskret“ und „tabulos“, bieten dort ihre Dienste an - ausschließlich telefonisch. Die anrufenden Freier werden zurückgerufen und „akustisch massiert“, die halbe Stunde für fünfzig D-Mark.

Mit der neuen Branche Telefonsex machen so manche UnternehmerInnen, die Telefonistinnen für sich arbeiten lassen, eine schnelle Mark - und zwar legal, wie das Landesarbeitsgericht in einem jetzt veröffentlichten Urteil entschied. Solche Arbeitsverträge, heißt es sinngemäß, seien nicht sittenwidrig.

Maßgeblich für die Auslegung des Rechtsbegriffes der guten Sitten sei nämlich die dem Wandel der Zeit unterworfene, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses herrschende Rechts- und Sozialmoral.

Nun seien die schlüpfrigen Geschäfte mit dem heißen Draht aber noch nicht besonders verbreitet - deshalb habe sich auch noch keine allgemeine Rechtsüberzeugung bilden können.

Telefonsex, so die Begründung der Richter, vermittle sexuelle Anregung lediglich durch ein Gespräch, bei dem die Telefonistin anonym und in ihrer körperlichen Integrität geschützt bliebe. Die akustischen Eindrücke für den Anrufenden seien denen vergleichbar, die der Betracher von Pornos fühle.

Im vorliegenden Fall hatte eine Frau ein Telefonsexunternehmen auf die Bezahlung von 31 Arbeitsstunden verklagt. Die Richter sprachen der Frau nun das Geld für nur 21 geführte Telefongespräche zu - weitere Tätigkeiten habe sie nicht nachweisen können.

Nach diesem Urteil von Berlins obersten Arbeitsrichtern arbeiten „Telefonhostessen“ nunmehr sogar ein klein wenig abgesicherter als Prostituierte. Letztere nämlich haben vor den Gerichten wegen der in ihrem Fall behaupteten „Sittenwidrigkeit“ ihres Tuns keinerlei Chance, ihren Arbeitslohn von zahlungsunwilligen Freiern einzuklagen.

(Az.3Sa15/90).

usche

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