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Mordvorwürfe gegen Ex-Stasichef

■ DDR-Justiz prüft Berichte über angebliche „Liquidierungen“ durch den DDR-Staatssicherheitsdienst Die Bonner CDU/CSU verlangt rechtliche Schritte gegen Verantwortliche noch vor dem Beitritt

Bonn/Berlin (taz/dpa/ap) - Das Sommerloch in der Presse ist durch einen neuen Stasi-Krimi ausgefüllt: Die DDR -Staatsanwaltschaft wird sich mit Vorwürfen befassen, wonach der ehemalige Staatssicherheitsdienst bis in die achtziger Jahre mehrere prominente Republikflüchtlinge getötet haben soll.

Wie es in Ost-Berlin hieß, liegen der DDR-Angeklagebehörde bislang keine Hinweise vor, daß der DDR-Fußballer Lutz Eigendorf 1983 und der von Bonn freigekaufte Michael Gartenschläger 1976 von der Stasi umgebracht worden seien. Dies war in der Illustrierten 'Bunte‘ und der Springer -Zeitung 'Die Welt‘ unter Hinweis auf Aussagen von Angehörigen des ehemaligen DDR-Ministeriums für Staatssicherheit berichtet worden. Der 'Welt‘ zufolge veranlaßte Stasi-Chef Mielke auch ein unausgeführtes Mordkomplott gegen den NVA-Soldaten Werner Weinhold, der auf seiner West-Flucht 1975 zwei DDR-Grenzsoldaten erschossen hatte.

Ihre Veröffentlichung vom Wochenende untermauerte die 'Bunte‘ am Montag mit einem Auszug aus einem internen Bericht des Bundesnachrichtendienstes. Der Bericht liege auch dem Bundeskanzleramt vor. Auf Anfrage wollte sich BND -Sprecher Berghof gegenüber der taz nicht zur Existenz eines derartigen Berichtes äußern. Bei den zuständigen Bonner Sicherheitsstellen hieß es zu den Mordverdächtigungen, sie seien so, daß man sich ernsthaft damit befassen müsse. Die Bundesregierung, die nach eigener Angabe bisher „sehr schwache Erkenntisse“ habe, hat bereits die Justizbehörden um entsprechende Prüfung gebeten.

Die Leiche des angeblich von Stasi-Mitarbeitern ermordeten Fußballers Lutz Eigendorf wird möglicherweise exhumiert. „Wir lassen im Augenblick durch das gerichtsmedizinische Institut prüfen, ob es eine Aussicht auf Erfolg hat, eine Vergiftung nach sieben Jahren nachzuweisen“, ließ die Braunschweiger Staatsanwaltschaft gestern dazu erklären.

Noch bevor die Substanz der Vorwürfe im Detail geklärt ist, versucht sich die Union in dieser Angelegenheit mit dem Ruf nach rigoroser Strafverfolgung zu profilieren: Schon vor dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik müssen nach Ansicht des parlamentarischen Geschäftsführers der CDU/CSU-Fraktion, Friedrich Bohl, die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden, sollte sich der Verdacht erhärten. „Die befaßten DDR-Organe müssen endlich alle Fakten auf den Tisch legen, damit es zur Anklageerhebung kommt.“ Bohl kündigte an, bei der für Dienstag in Bonn geplanten gemeinsamen Sitzung der geschäftsführenden Vorstände der Unionsfraktionen von Bundestag und Volkskammer würden die Stasi-Verbrechen zur Sprache gebracht. Es müsse alles getan werden, um den Opfern gerecht zu werden.

asw

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