Rot und Schwarz: Der Stehler

■ „Hard Days, Hard Nights“: Kinofilm von Horst Königstein, gewesener Bremer Bub

Horst Königstein, Autor, Essayist und Fernsehmensch beim NDR in Hamburg, erzählt in seinem ersten Kinofilm eine Geschichte aus den Sechzigern: Eine Beat-Band aus Liverpool kommt, weil man irgendwo leben muß, nach Hamburg. Es ist ein wunderschöner Film geworden über die seltsame, immer ganz eigene Welt, die wir, zwecks Unterhaltung, betreten, um unsere Sehnsucht, gleich wonach, erregen, besänftigen und zerstören lassen, alles zugleich. Ein Märchenland ist im Film der Kiez, mit Kunstfarben gemalt, aber wie echt, es gibt darin Halbstarke und La Paloma, dunkle Schöne und Meere aus Stadt, Drugs und Gauner und Menschen, die alle mal, merkwür

dig, irgendwie hierher gekommen sind. Und solche Schauspieler leben dort! Ich sag nur: Rita Tushingham als alte Nutte. Und Helmut Griem. Und die Entdeckung Wigald Boning. Die leben dort.

taz: Ihr Film ist voller tiefer Farben und dunkelprächtig wie ein Märchen. Woher kommt er?

Horst Königstein: Ach, schon vor zwanzig Jahren wollte ich diesen Film machen. Seither hab ich gelernt: es ist schwierig, mythische Stoffe aus der eigenen Geschichte anzupacken.

Die ihre beginnt in Bremen.

Ja, in Gröpelingen, da bin ich aufgewachsen, in der Nähe der AG Weser. Schwarzer Weg, Moor, Blockland. Zur Schule gegangen bin ich in Walle und mußte auf dem Weg dahin immer durch das Klein St. Pauli. „Golden City“ hieß der Puff, wo wir als Jungs immer phantasiert haben, wer da mit wem vögelt. Im Filmsong „City of Sins“ ist eine Anspielung darauf versteckt. Ein wichtiger Strang ist auch das Kino, die Kinos in Bremen, die's fast alle nicht mehr gibt, und in denen ich die Schaukästen gemacht habe. Das Roland-Kino in der Lindenhofstraße, da ist heute Wand und Boden drin, das Rex-Kino, da ist Safeway drin, das Decla, das steht überhaupt nicht mehr, ein wunderbares Theater der Zwanziger, so richtig mit Bühnenhaus und Variete, mit alten Platzanweiserinnen, die einem unglaubliche Geschichten erzählen konnten. Und ein anderer Strang ist Radio Bremen, da habe ich in der Beatmusik-Hochzeit gearbeitet. Und das Schulfunk-Wunschkonzert gemacht, zusammen mit Barbara Sukowa,

die war fünfzehn, ich war siebzehn. Und hier in der Weserlust und im Burger Landhaus, das gibts auch nicht mehr, das ist so ein bonanzamäßig aufgebauter Vorortschuppen gewesen, da sind unendlich viele dieser sehr trostlosen, armen englischen Bands aufgetreten. Ich hab auch mal paar von denen mit nach Hause genommen, meine Mutter hat für die gekocht. Das sind alles die Geschichten, die unser Film verdichtet. Natürlich ist auch die Geschichte der Beatles drin, aber Bands-Geschichten sind immer so ähnlich, Bands haben immer Manager, die sie anscheißen, und Bands sind immer noch klischierter als ihr Klischee.

Wo in aller Welt der Unterhaltung liegt das Hamburg Ihres Films?

In meinem Hirn, in meinem Herzen.

Aber dieser Kiez ist doch eine ziemlich mythische Ansiedlung.

Das, denke ich, ist mit der Erinnerung immer so. Mein düsteres Film-Hamburg ist zuhause zwischen Michael Powell und David Lynch.

In den Film sind, vermute ich, viele Überlegungen zum Wesen der Unterhaltung eingeflossen. Sie haben doch nicht nur von Ihren Erinnerungen gezehrt.

Nein. Wissen Sie, ich komme so stark vom Dokumentarischen her, ich beneide ja die Menschen, die alles gleich auf der Straße spielen können, was ich erstmal mühsam inzenieren muß. Ich bin eigentlich mehr ein Beobachter und Stehler. Ich erschaffe keine Figuren, ich sorge dafür, daß die Bühne stimmt. In diesem Fall wußte ich: Die Bühne hatte kein

weichgezeichnetes, rauchverhangenes Labor zu sein, sondern etwas Klares, in dem es blutendes Rot gibt und schwärzestes Schwarz. Das geht nur im Kino, das ist ein Film für die große Leinwand. Und jede Großaufnahme ist dann keine Konzession ans Fernsehen, sondern gehört den Schauspielern und ihrer Lust oder Einsamkeit oder Liebe.

Sie sind hier im Filmstudio aus besonderem Grund.

Ja. Hier haben wir in den Sechzigern sozusagen absurde Programme gemacht, haben das gezeigt, was damals noch als Müll und Trash galt, Italo-Western und so, also Filme, die sonst nur in Schmuddelkinos liefen, oder Sandalenfilme der Fünfziger mit ihrem merkwürdigen Mussolini-Ambiente und den exzessiven Gift-und Liebesränken, nur um zu zeigen, daß das Leone gemacht hatte, der dann später mit The Good, the Bad and the Ugly kam. Den Film zitiere ich übrigens auch in dem meinen. Es gibt ganz viele solcher Binnenzitate.

Von wegen binnen: Die Welt der Unterhaltung ist bei Ihnen eine ziemlich abgeschlossene, die kaum ein Draußen kennt und sich aus eigenem Stoff ernährt.

Ja. Schon allein deshalb, weil immer Leute um dich rum sind, die sagen, das ist schlecht, was du machst, das ist trivial, das ist fürchterlich. Unter diesem Druck entwickelt sich leicht eine abgeriegelte Kultur. Das mag auf Autismus hinauslaufen, aber manchmal ist es eine Form von Überleben. Fragen: scha

„Hard Days, Hard Nights“: täglich im Filmstudio, Herdentorsteinweg, um 15.30, 18.00 und 20.30 Uhr. Fr./Sa. auch 22.45 Uhr.