DDR-Koalition am Ende

■ Walter Romberg (SPD) will sich nicht fügen: „Ich bin weiter Finanzminister der DDR.“ Doch sein Widerstand gegen die von de Maiziere verfügte Entlassung wird die große Koalition nicht retten. Am nächsten Mittwoch will die SPD-Fraktion den Ausstieg aus der Regierung beschließen und damit die lange Reihe von Demütigungen beenden. Ihren Mitgestaltungsanspruch im Einigungsprozeß konnte sie ohnehin nie einlösen. Den deutsch-deutschen Unionsstrategen drohen die Sozialdemokraten jetzt die Ablehnung des Einigungsvrtrags an.

Nach der Entlassung von vier Ministern:

Die Androhung des Koalitionsbruchs, immer lauter werdende Forderungen nach einem möglichst schnellen Beitritt der DDR zur BRD und die Ablehnung der Ost-SPD gegen den Einigungsvertrag: das waren gestern die Folgen von DDR -Ministerpräsident Lothar de Maizieres Schritt, vier Kabinettsmitglieder zu feuern. Während Justizminister Wünsche (Ex-LDPD) und Wirtschaftsminister Pohl (CDU) ihre Entlassung selber gewünscht hatten, waren Landwirtschaftsminister Pollack (parteilos) und Finanzminister Romberg (SPD) von der Entscheidung überrascht worden. Nachfolger wurden nicht benannt, die Geschäfte sollen von Staatssekretären übernommen werden.

Wilfried Penner, Fraktionsvize der SPD-Bundestagsfraktion, verlangte den Rücktritt von de Maiziere: „Wenn eine Regierung zu Ende geht, ist der Chef gefragt und nicht das Personal“, erklärte Penner und warf dem DDR-Premier vor, er habe für die „gänzlich irrealen finanziellen Ansätze über die Kosten der Vereinigung“ geradezustehen, weil er „sich mit besseren Einsichten nicht genügend durchgesetzt hat oder vielleicht sogar an dem Verschleierungsmanöver aktiv beteiligt ist“. Romberg selbst sieht seine Kündigung nicht ein und weigert sich, die Regierung zu verlassen. Der Rausschmiß sei verfassungswidrig. De Maizieres Sprecherin Merkel hielt dagegen, daß gegen den Willen des Ministerpräsidenten niemand Minister werden oder bleiben kann. Der Ex- oder Noch-Finanzminister trat seinen Dienst gestern morgen jedenfalls wie gewohnt an, die neuesten Horrorzahlen im Gepäck. Er habe mit seinen düsteren Finanzprognosen schließlich recht behalten, rechtfertigte sich Romberg: „Ich habe Zahlen genannt, die inzwischen auch Herr Waigel nennt - nach langem Zögern.“

In der DDR-SPD deutete gestern wieder einmal vieles auf einen baldigen Bruch der Koalition hin. SPD-Chef Thierse entnervt: De Maizieres Verhalten, Probleme der Regierung zu personalisieren, stelle den gefährlichen Versuch dar, „die SPD zu erniedrigen, um der CDU bessere Startchancen im Wahlkampf zu eröffnen“. Thierse kann sich nicht vorstellen, „daß man mit diesem Ministerpräsidenten, dessen Reaktionen immer abenteuerlicher werden, weiterhin zusammenarbeiten kann“. Er empfahl seiner Partei, die Koalition zu verlassen. Seiner Einschätzung nach werden Parteipräsidium und Fraktion ihm in dieser Frage schon nächste Woche folgen. Und: Dem Einigungsvertrag will die SPD in der vorliegenden Form nicht zustimmen, an der bevorstehenden dritten Verhandlungsrunde wird aus dem Ostberliner Finanzministerium kein Sozialdemokrat teilnehmen.

Vertreter von CDU und DSU begrüßten den Stellenabbau im DDR -Kabinett. So sieht Friedrich Bohl, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die Entlassung des „inkompetenten Finanzministers“ als den Interessen der DDR-Bürger dienlich. Bohl stellte auch den vorwahlkampfartigen Charakter des Schrittes von de Maiziere klar. Damit würden die politischen Absichten der SPD und ihres Kanzlerkandidaten Lafontaine durchkreuzt. Auch der DSU -Vorsitzende und ehemalige SED-Führungskader Walther begrüßte die Rauswürfe.

Währenddessen benannte de Maiziere gestern nachmittag jene Staatssekretäre, die den Job der am Vortag entlassenen Minister übernehmen sollen. Das Ressort Wirtschaft wurde Gunter Halm (FDP), Ernährung, Land- und Forstwirtschaft Peter Kauffold (SPD), Finanzen Werner H. Skowron (CDU) und Manfred Walther (CDU) übertragen.

Axel Kintzinger