: Von der Wüste in den Weltraum
■ Ordensschwestern, Geologen und Raumfahrer: Das neue Vorabendprogramm des ZDF
Von Manfred Riepe
Die letzten warmen Sonnenstrahlen ziehen sich hinter Wolkendecken zurück. Die Schatten werden länger, und die Temperaturen zwischen Nachmittag und Abend sinken auf ein erträgliches Maß, so daß die Vorabendsonne wieder bläulich flimmernd über dem Vespertisch aufgehen kann. Auch das ZDF ist wieder mit von der Partie, wenn es darum geht, das Wohnzimmer in die virtuelle Dimension auszudehnen. Zum Beispiel nach 2344 Deekelsen, wo der praktische Arzt Dr.med. Karsten Mattiesen ab 23. Oktober dienstagabends wieder heilend auf die netten Bewohner einwirkt. Die phänomenale Akzeptanz von durchschnittlich 48% während der ersten Staffel von Der Landarzt seien, so das ZDF, nicht nur auf das Talent Christian Quadfliegs als Flachland-Brinkmann samt netter Familie zurückzuführen. Unter den Zuschauerreaktionen häufen sich begeisterte Anfufe, verbunden mit Anfragen zu den Drehorten. Viele haben vor, ihren Urlaub eben dort „und nirgendwo anders“ zu verbringen. Mit oder ohne Fernbedienung?
Neben 18 geplanten Einsätzen des laut ZDF besonders in Fachkreisen geschätzten Sonderkommandos, welches auch ab 25. September wieder auf die Nummer 5113 hört, wird die römische Ordensschwester Maria ab 18. September für das spirituelle Wohl ihrer neuen Berliner Gemeinde sorgen. Wie gut, daß es Maria gibt, befinden die Bekehrten. „Donna Camillo“ kennt nicht nur die heilige Schrift, sondern lehrt auch profane Hebelgesetze der Physik. Besonders, wenn sie sich die Ärmel hochkrempelt und mit nicht immer bibelfesten Methoden ihr Wunschprojekt eines multikulturellen Kindergartens anpeilt. Als wäre ihr Vorgesetzter nicht der Papst, sondern Daniel Cohn-Bendit aus Frankfurt.
Ab 6. Oktober schickt das ZDF seine Zuschauer achtmal in die Wüste. Leider auch im doppelten Sinn. Was als Wüstenfieber angekündigt ist, verursacht allenfalls eine leichte Temperaturerhöhung. Von den deutschen Geologen, die unter der Leitung von Dr. Schöneberg (Gunter Berger) nach Öl suchen, schwitzt kaum jemand. Während minutenlanger Sequenzen, da LKW-Kolonnen monoton durch Wüstensand brummen, kann man getrost in den Keller Bier holen gehen, ohne etwas zu verpassen. Andererseits sind die einschlägigen Intrigen um korrupte Minister, zwielichtige Berater und gerissene Wüstenscheichs derart fahrig, holprig und dialoglastig eingefädelt, daß man zunächst kaum etwas mitbekommt. Yuppie -Manager Dirk Teichert (Christoph Eichhorn), der seine kapitalen Sklaven mitten in der Wüste bei Champagner und Kaviar im guten alten Kolonialstil befehligt, wäre eine interessante Figur. Seine faustdick aufgetragenen Boshaftigkeiten kippen jedoch unter seinem unüberhörbar hessischen Akzent unfreiwillig ins Kabarettistische, gell?
Die Freunde des berühmten, weißen Spagatraumers müssen ab 7. September für 78 Folgen auf die Sinnsprüche des logozentrischen Langohrs Spock verzichten. Auf der betagten Enterprise hat es eine Wachablösung gegeben. Auch das Schiff wurde überholt. Obgleich in den „unendlichen Weiten“ kein Luftwiderstand herrscht, wirkt die neue Enterprise erstaunlich stromlinienförmig. Wie ein Handtuchhalter von Ikea. Als die Enterprise vor rund 20 Jahren erstmals den deutschen Bildschirm-Orbit anlief, haftete den technischen Tricks sowie dem gesamten Interieur des Schiffs der Charme augenzwinkernder Improvisation an. Was durch die spritzige Synchronisation noch hervorgehoben wurde. Wer seinem Vater die samstägliche Sportschau vergällen konnte, wird sich an unvergessene Dialoge erinnern: „Scotty, gehen Sie auf Sol 9!“ - „Aber Captain, da backen mir die Aggregate zusammen!“
-„Scotty, holen Sie alles raus aus dem Kahn!“ - „Ay, ay, Sir!“. Oder: „Danken Sie nicht Gott, sondern dem Umstand, daß ich die Kreuzschaltung vorgenommen habe“, sagte der Vulkanier und lächelte wie die Mona Lisa.
Auf dieses „Übergagen“ wurde, so Redakteur Martin Hensel, bei „Raumschiff Enterprise - das nächste Jahrhundert“ verzichtet, „weil die Serie in sich genug bietet“. Tricktechnisch auf jeden Fall. Doch die neue Besatzung unter Captain Picard (Patric Steward) wirkt zwischen all den elegant blinkenden Schalterreihen noch etwas steif und bierernst. Abwarten.
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