Gott ist online

Nachdem sie ihren Triumphzug um die ganze Welt abgeschlossen haben, sind die Computer jetzt auch noch in die letzten dunklen Winkel der menschlichen Zivilisation eingedrungen: Die katholische Kirche hat sich ins Datennetz eingeklinkt.

Der letzte Schrei für den modernen Pfarrer kommt aus einer Rechenmaschine: ein Gottesdienst auf Knopfdruck. Eine komplette Messe für seine Kollegen bietet seit einigen Wochen der katholische Pfarrer Karl Terhorst von der Gemeinde St.Michael im nordrhein-westfälischen Marl auf Bildschirmtext an. Seine seelsorgenden Kumpel aus dem ganzen Bundesgebiet können sich nun anschauen, welches Modell der Priester

und sechs weitere Pfarrer aus der Umgebung für die Sonntagsmesse entworfen haben, und sich so Tips und Anregungen holen. Zum Selbstkostenpreis von einer Mark werden geliefert: das jeweils passende Lied und Gebet, die Lesung und eine Predigt sowie die bei den Katholiken üblichen Fürbitten. Da die heilige Messe erst freitags fertig ist, können „auch noch aktuelle Katastrophen und politische Ereignisse mit eingeflochten werden“, berichtet stolz der geistliche Computercrack.

Um sein Image braucht sich der Hacker Gottes keine Sorgen zu machen, denn das Frankfurter Institut für Sozialforschung hat soeben herausgefunden, daß Computerfans „Menschen wie du und ich“ sind. Das gute alte Vorurteil, daß die Leute, die da nächtelang vor Tastatur und Bildschirm hocken, weltfremde, ichbe

zogene und kontaktscheue Einzelgänger sind, hat ausgedient. Befragt worden waren 449 männliche jugendliche Computerbenutzer. Die Einbeziehung von Mädchen in die Studie scheiterte angeblich daran, daß die Wissenschaftler keine für eine reprä

sentative Erhebung ausreichende Zahl weiblicher Computerfans finden konnten. Die Mehrheit der Befragten stammt aus der gesellschaftlichen Mittelschicht und besucht das Gymnasium. 41 Prozent von ihnen nannten als Lieblingshobby an erster Stelle die Beschäftigung mit dem Computer. Die Sozialforscher fanden aber heraus, daß die Computertätigkeit in der Regel in drei andere Aktivitäten eingebettet ist: Fernsehen, Treffen mit Freunden und Sport. Die Digital-Kids versprechen sich von der Beherrschung der Maschinen aber auch einen besseren Start ins Berufsleben, was die Wissenschaftler nur unterstreichen konnten.

Pfarrer Terhorst fühlt sich sogar „von fast ganz oben“ unterstützt, seitdem der Papst die „neue Computerkultur“ als gutes Mittel zum Dialog bezeichnet hat.

Karl Wegmann