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Wahlkampfhelfer

■ Was die „Republikaner“ allein nicht schaffen - mit Hilfe der Autonomen klappt's allemal

KOMMENTAR

Leipzig im Januar: Zu Beginn der montäglichen Demonstration hat neben der Oper ein LKW mit Münchener Kennzeichen geparkt. Von der Ladefläche herab verteilen „Republikaner“ Werbematerial - Poster von „Führer“ Schönhuber, Zeitungen, Flugblätter. Sofort bildet sich eine Traube um das Fahrzeug, die Leute sind neugierig, reißen den Reps das Papier aus den Händen. Doch schon zehn Meter weiter sieht man das Propagandamaterial zerfetzt auf dem Boden liegen - Kommentar der Demonstranten: Mit denen wollen wir nichts zu tun haben. Eine Woche später - die Reps sind wieder zur Stelle - haben die Vertreter der Rechts-Partei bereits Schwierigkeiten, ihr Zeug loszuwerden.

Auf solcherart Lernfähigkeit der in West-Augen ja sowieso leicht beknackten Ossis wollte die von Westberlinern dominierte militante Autonomen-Szene natürlich nicht bauen. Wohl auch darauf nicht, politische Erscheinungen politisch zu bekämpfen. Also schickte sie vorsorglich einen Trupp gen Osten, um den Werbestand der Reps plattzumachen. Warum sollten sie sich auch anders verhalten als Herr Kohl und seine Mannen - die wissen ja auch immer ganz genau, was den Noch-DDR-Menschen zuzumuten ist und was nicht. Daß sie dabei der Sache, für die sie nach eigenen Worten eintreten, eher schaden als nutzen, scheint ihnen dabei offensichtlich egal zu sein.

Den „Republikanern“, die aufgrund des desolaten Zustandes ihrer Partei nichts mehr als spektakuläre Auftritte brauchen, um ihr fast auf Null gesunkenes Image aufpolieren zu können, muß es daher wie ein Geschenk des Himmels vorgekommen sein, als Vermummte am Samstag über ihren Ostberliner Reklamestand herfielen. Die Aktion der Reps sicher nicht ganz zufällig in der Nähe der von Westberlinern besetzten Mainzer Straße inszeniert - hätte unter „normalen“ Umständen wohl kaum jemand zur Kenntnis genommen. So aber verwandelte sie sich in eine medienträchtige Nachricht. Nun stehen die Rechtsradikalen als friedliche Bürger da, denen die „linken Chaoten“ ans Hemd wollen, und so mancher unbedarfte Ossi wird sich wohl einen Reim darauf machen.

Bei solcherart „Zusammenarbeit“ zwischen Autonomen und Reps sollte sich Rep-Chef Pagel nicht zieren und wenigsten einen Blumenstrauß nach Kreuzberg schicken. Als Dank für die tatkräftige Wahlkampfunterstützung von links sozusagen denn erstens verteilten die Reps, nachdem die Polizei den autonomen „Kampftrupp“ zerstreut hatte, ihre Zettel unbeeindruckt weiter, und zweitens - wann konnte schon jemals ein Rep-Abgeordneter einen solch werbewirksamen Herzanfall erleiden?

Olaf Kampmann

Links lesen, Rechts bekämpfen

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