Fortuna total tote Hose

■ Fußball kennt noch immer keine Gerechtigkeit: Fortuna Düsseldorf-Hamburger SV 2:1

Aus Düsseldorf Bernd Müllender

Hamburgs Trainer Schock stand selbiger noch im Gesicht geschrieben, versteinert blickte er drein, zwei linkswangige Pickel vor Nervosität aufgekratzt. Ohnehin nicht der Wortgewaltigsten einer, meinte er, um Analyse für das bittere 1:2 gebeten, nur noch: „Zum Spiel fällt mir eigentlich nicht mehr viel ein.“ Was sollte er auch sagen. Es hatten ja alle gesehen, was sich im Rheinstadion vor enttäuschend wenigen 19.000 abgespielt hatte. 90 Minuten lang war der HSV die in jeder Hinsicht überlegene Mannschaft und spielte, als habe er den verwegenen taz -Meisterschaftstip ernst genommen.

Schnell und kompromißlos in der Abwehr, souverän organisiert vom ehemaligen DDR-Internationalen Frank Rohde, ausgesprochen ausgeschlafen im Mittelfeld, wo die müden Fortunen gelegentlich schwindelig getanzt wurden, und vorne sausten die schnellen Oststürmer Furtok (Polen) und Doll (DDR) dem Grätschgebein der Fortuna-Abwehrspieler laufend davon. Und sie erspielten sich mit ihren pausenlosen Kontern Chancen zuhauf, von denen aber nur Harald Spörl nach 19 Minuten mit einem fulminanten Dropkick von der Strafraumgrenze erfolgfreich war.

Die Düsseldorfer, mit den vermeintlichen Torgaranten Thomas Allofs, Rückkehrer Sven Demandt und dem letztjährigen Liga -Schützenkönig Jörn Andersen im Angriff, trugen schwer an der Last, so etwas wie ein Geheimfavorit für vordere Tabellenplätze zu sein. Umständlich, langsam das Vorwärtsbemühen, spielerisch total tote Hose und ohne Übersicht. Bezeichnend: Torwart Schmadtke warf einmal einen abgefangenen Eckball dem zurücksprintenden Schützen direkt wieder vor die Füße. Fortuna ohne jeden Mumm, den sich die Ehrentribünen-Schickimickis derweil, wegen des niveaulosen Glasverbots in Fußballstadien allerdings aus Pappbechern, hinter den Binder kippten. Beeindruckend fürderhin im Tribünenbereich: In Düsseldorf heißen Ordner „Abschnittsleiter“.

Der HSV machte nichts falsch. Immer bemüht, weiter zu treffen, verzichtete das Team auf jegliches Ergebnishalten. Fast jeder hatte einmal die Möglichkeit zum Torschuß. Doch das 0:2 fiel nicht, und dann ging der Schuß nach hinten los. Der erste durchdachte Fortuna-Angriff in einem überdurchschnittlich flotten Spiel brachte die Gastgeber gleich unbarmherzig auf den Kreuzzug ins Glück: Krümpelmanns Flanke wird abgefälscht, fällt Allofs auf die schmale Brust, fliegt Golz durch die Beine, Ausgleich eine Viertelstunde vor Schluß.

Der HSV bleibt offensiv, da bekommt Nachwuchsmann Carsten Hutwelker (zarte 18) im Ersteinsatz die Kugel und ist so dreist, sie auch noch ins Tor zu heberln. Allein in den letzten drei Minuten hätte der HSV nochmal drei Tore schießen können. Aber Düsseldorfs Torwächter Schmadtke klärt beidfüßig einen Rohde-Dreher, ein krachender Fernschuß von Ballwanz bleibt kurz vor dem Tor im Beinegewirr hängen, und Doll köpft letztminütig freistehend vorbei. Und der smarte Fortuna-Manager Karl-Heinz Thielen, ehemals Rechtsaußen beim 1. FC Köln, danach als Geschäftsführer im Lotto-Toto-Busineß tätig, schlich beschämt durch die Katakomben, und bat, man möge ihn am Arsch lecken, „Mensch, nein, so was von Glück“. Für ihn, den Fachmann, wohl eine Art 6 Richtige mit Zusatzzahl incl. rappelvollem Jackpot und passender Zahl im Spiel 77.

Fortuna-Trainer Aleks(andar) Ristic wußte es allerdings wieder einmal besser: Er schämte sich nicht, das Wort „verdient“ in den Mund zu nehmen. Aber bei dem Jugoslawen weiß man ja nie. Zuletzt durch allerlei wohlfeile Reportagen ('Spiegel‘, 'Sports‘) aufgewertet, mal als „pfiffigster Coach der 1. Liga“ gepriesen oder als „schillernde Persönlichkeit“, ein andermal zum „perfekten Schauspieler“ gekürt, zum „Trainer-Clown“ oder herkunftswechselnd zum „Carrell des Fußballs“. Spannend an ihm ist hauptsächlich, daß er statt Sprechblasen wie seine Übungsleiter-Kollegen gelegentlich überaschende Kritiksalven und Lobpreisungen von sich gibt, manchmal auch sich selbst betreffend: In fünf Jahren will er nämlich Nationaltrainer sein.

Witzig eigentlich nur die einstmalige Sieganalyse: „Ende gut, Aleks gut„; peinlich mittlerweile der Kult um seinen Sessel, ein von der Firma Pattex (Henkel, D'dorf) werbewirksam bemalter Trainerthron, auf dem er zeitspielens festzukleben hat. Samstag fiel ihm die überraschende Erkenntnis ein, daß es „im Gegensatz zu auswärts immer gefährlich ist, zu Hause mit drei Stürmern zu spielen“, weswegen er Versager Demandt ausgewechseln habe, und schon haben „meine Jungäähns Närven nicht ganz verloren und noch gewonnen“.

Und Matchwinner Hutwelker bekam sein klebriges Extra -Bonbon: Wenn der weiter so spiele, lobte Düsseldorfs „Aleksandar der Große“, könne der es dereinst zum Stammspieler bringen, „in zwei Jahren vielleicht“.

Düsseldorf: Schmadtke - Loose - Wojtowicz, Werner Baffoe, Spanring (29. Krümpelmann), Hutwelker, Allofs, Büskens - Andersen, Demandt (68. Walz)

Hamburg: Golz - Rohde - Kober, Beiersdorfer - Spörl, Matysik, Eck, von Heesen, Ballwanz - Furtok (81. Nando), Doll

Zuschauer: 19.000

Tore: 0:1 Spörl (20.), 1:1 Allofs (76.), 2:1 Hutwelker (83.)