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Horten und Verströmen

■ Kei Takei, Tanz im August

Kei Takei, japanische Tänzerin und Choreographin, die seit 1967 in New York arbeitet, zeigte in der Werkstatt des Schillertheaters drei Solo-Performances, Ausschnitte aus dem einen Tag und eine Nacht dauernden Tanzepos „Light“, an dem sie mit vielen anderen Tänzern seit 20 Jahren arbeitet.

In „Part 8“ umkreist Kei Takei breitbeinig hüpfend und am ganzen sehnigen Körper vibrierend zum monotonen buddhistischen Pilgergesang einen Wäscheberg, dessen Fetzen sie sich nach und nach mit verzücktem Gesicht und ruppigen Gesten grapscht. In der puren, durch keinen zivilisatorischen Vorwand gemilderten Gier des Raffens verliert ihr Körper immer mehr seine Proportionen; mit jedem Griff bindet sie sich einen Buckel um, schränkt die eigene Bewegungsfreiheit ein und deformiert sich zu einem auf dem Rücken liegenden Käfer, der nur noch schaukelnd vorwärtsruckeln kann. Schließlich schauen nur noch Hände und Füße aus dem bewegungsunfähigen Klumpen heraus und verkrampfen sich, einwärtsgedreht. Diese Erfahrung des Zugrundegehens an der eigenen Beutegier ist zugleich ein Stück jeder Kindheits- und der Menschheitsgeschichte; aber Takeis Übersetzung ist keine moralisierende Symbolisierung. Sie knüpft darin an die einfachsten Körpererfahrungen des sich krampfhaften Vollfressens und glücklichen Freischeißens an.

So steht denn dem Bild vom selbstmörderischen Raffen in „One Woman's Death“ das Loslassen und widerstandslose Verströmen als eine erlösende und befreiende Körper- und Geisteshaltung gegenüber. Ihre Kleidungsstücke, diesmal mit Laub gepolstert, panzern sie zu Beginn; sie löst die Verschlüsse und schüttelt die welken Blätter aus sich heraus, immer schmaler werdend, bis zuletzt grüne Blätter aus ihrem Schal wie die letzten Energiereserven tropfen. Kraftlosigkeit erscheint hier nicht als Schwäche, sondern als ein Verschmelzen und Aufgeben des Widerstandes gegen äußere Zwänge.

Zwischen diesen beiden entgegengesetzten Bildern lag „One Woman's Pilgrimage“, die Geschichte einer Zähmung oder Dämonenaustreibung. In einem Ritual wird die Tänzerin eingekleidet; aber die Stoffe scheinen wie Gift auf ihrer Haut zu brennen. In ihren wilden Versuchen, sie loszuwerden

-sie rast im Kreis, scheuert über den Boden - gleicht sie dem Hund, der sich mit der scheppernden Büchse an seinem Schwanz fast zu Tode hetzt. Nur wie eine kurze Vision taucht das Bild möglicher Harmonie auf, die um den Preis der Wildheit erreicht werden kann.

Katrin Bettina Müller

Weitere Tanzaufführungen: Dienstag, 21.8., 20.30 Uhr, Schiller-Werkstatt: Coogan Dancers, Riki von Falken, Compagnie Taffanel. 21.8. bis 23.8., jeweils 20.30 Uhr, Hebbeltheater, die „Rosas“ aus Brüssel mit dem Stück „Stella“.

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