Hildebrandts letzte Horrorzahlen

Berlin (taz) - Regine Hildebrandt, zu Wochenbeginn zurückgetretene SPD-Arbeits- und Sozialministerin, konnte auch bei ihrer letzten Bilanz nicht mit erfreulichen Zahlen vom DDR-Arbeitsmarkt aufwarten. Im Gegenteil: Es wird „im Prinzip immer schlimmer“. Während die Zahl der offiziell arbeitslos Gemeldeten auf 341.000 gestiegen ist wöchentlich kommen rund 25.000 dazu -, überschritt die Zahl der Kurzarbeiter die Millionen-Grenze. Rund 90 Prozent von ihnen haben eine Arbeitszeit von Null Stunden.

Verantwortung für diese Situation tragen nach Ansicht Hildebrandts vor allem die verfehlte Wirtschaftspolitik des Landes sowie das glücklose Agieren der Treuhandanstalt. Diese Einrichtung, deren Chef Reiner Gohlke am Montag zurückgetreten war, könne ihre Aufgabe mit 60 Wirtschaftsprüfern nicht bewältigen. Über die Arbeit ihres eigenen Ministeriums zog Hildebrandt eine überwiegend positive Bilanz. Immerhin sei es gelungen, einige sozialpolitische Garantien festzuzurren und mit dem Drängen auf Weiterbildung und Umschulung in die richtige Richtung gezogen zu sein. Und: Unter Hildebrandts Ägide seien 100 Tarifverträge geschlossen worden, darunter viele zu ihrer Zufriedenheit - also mit als maßvoll empfundenen Gehaltserhöhungen. Für Bildungsträger habe man bislang 160 Millionen Mark ausgegeben, 30.000 Umschulungsmaßnahmen seien im Gange. Obwohl deren Zahl bis zum Jahresende noch auf 150.000 steigen soll, reichten die Maßnahmen nicht aus.

Die zugespitzte Situation mache sich vor allem in den Arbeitsämtern bemerkbar. So befinden sich etwa in Neubrandenburg fast alle Betriebe in Kurzarbeit, zwischen Arbeitssuchenden und den Beschäftigten im dortigen Arbeitsamt komme es bereits zu Reibereien Arbeitslosenunterstützung kann das Neubrandenburger Amt schon seit Juli nicht mehr zahlen. Die nötigen Konzepte und das dazu erforderliche Geld hätten bereits im ersten Quartal dieses Jahres bereitgestellt werden müssen.

Der SPD-Austritt aus der Koalition habe nichts mit Drücken vor der Verantwortung zu tun, erklärte die 49jährige Politikerin. Grund für den Schritt sei die Einengung des Handlungsspielraumes in der Koalition sowie die Diskriminierungen gegen die SPD gewesen. Ministerpräsident de Maiziere sei im Kabinett ähnlich halsstarrig gewesen wie in der Öffentlichkeit, sagte die Ex-Ministerin und beklagte: „Für die CDU hat der Wahlkampf begonnen.“ Hildebrandt will weiterhin sozialpolitisch arbeiten, ihre politische Zukunft sieht sie im Land Brandenburg.

Hildebrandts ebenfalls zurückgetretener Staatssekretär Armin Ziel sieht sich in seiner lange geäußerten Forderung bestätigt, wonach die Finanzausstattung des ersten Staatsvertrages hätte nachverhandelt werden müssen.

Axel Kintzinger