CAFESATZ

■ 2. Die verrückte Liebe

VON CHRISTOPH BUSCH

In einem Cafe jemand Fremdes ansprechen und sie oder ihn ganz persönliche Dinge fragen. Die Einstiegsfrage: Warum sitzen Sie hier? Die nächste Folge der Cafesatz-Serie erscheint am Samstag: Der durchsichtige Hauptmann.

Am nächsten Tag im selben Cafe. Sie lehrt auch. Gymnastik. Langes Haar, schwarzes Tuch um den Hals und irgendwo zwischen 20 und 30. Wartet auf eine Bekannte und ist verliebt. Schon vier Monate lang - was keine persönliche Bestzeit sei - und nicht immer glücklich. Er habe Bindungsangst. Sie das Gegenteil. Solche paradoxen Paarungen fänden sich doch immer wieder und gerade deshalb, werfe ich ein. Ja, es sei hin- und hergegangen. Erst habe sie nicht gewollt, er wohl. Und dann umgekehrt und so fort. Wie es im Moment aussehe? Sie sei unglücklich. Trotzdem verliebt? Ja. Woran frau das merke? Einfach am Gefühl. Und was sie, wenn verliebt, am liebsten unternähme? Verrücktes. Zuletzt vor drei Wochen. Ich kann die Frage, was das denn gewesen sei, nicht mehr stellen. Die Freundin kommt. Ich geh‘ zu meinem Tisch und Tee zurück.

Die Frau am Tisch nebendran ist ähnlich alt. Aber die Haare sind kurz, die Kleidung und die Ohrringe bunt, ein Arm in Gips und Schlinge. Einhändig betrachtet sie Fotos mit Bergen darauf und muß dabei lachen. Ich beug‘ mich hinüber: Ob sie sich kletternd den Arm gebrochen habe? Nein, sie sei gestern gestolpert über einen Stein. Nach dem Joggen.

Die Bilder hingegen sind aus dem Urlaub in der Schweiz mit dem Freund, über den sie lachen müsse, weil er so verrückte (schon wieder) Sachen mache, zum Beispiel Karate im Laubwald. Verliebt? Nicht frisch, wenn ich das meinte, aber immer noch und das seit nun fünf Jahren. Der Mann fürs Leben? Ja. Ohne Einschränkung? Ja. Will sie Kinder? Sie produziere dauernd welche: Ihre Zeichnungen und Illustrationen.

Er wohnt in einem anderen Land. Kommt dreimal im Jahr für vier Wochen. Häufiger fährt sie zu ihm auf den Hof. Weil sie beruflich beweglicher sei, er aber auch nicht bereit, öfter zu kommen. Wenn sie dann wieder hier sei, müsse sie sich erst wieder finden. Darum sei es auch gut, daß sie soweit auseinanderwohnten. Vielleicht deshalb der Mann fürs Leben?

Das nächste Mal kommt er. Weihnachten. Sie schenken sich was. Es muß mit einer Hand zu umschließen sein. Er wird eine Makadamia kriegen. Ein Nuß aus Hawai. Die teuerste Nußsorte, die es gebe, das Kilo zu 14 Mark. Und warum ausgerechnet die? Wegen des Symbolwerts in der Geschichte, die sie sich einmal ausgedacht hätten. In der wäre er King Pea Nut gewesen. Anfangs. Aber Peanutbutter sei gräßlich und Erdnüsse eigentlich nichts wert. Mehr Gemüse als Nuß. Also habe er die Beförderung zum King Makadamia gewünscht. 2. Die verrückte Liebe