George Bush spielt Golf

■ Sollte sich irgendwann einmal später die US-amerikanische Öffentlichkeit die im Irangate-Skandal geborene, berühmte Frage stellen: „Und wo war George?“ - hier ist die Antwort: im Urlaub, und er hat alles unter Kontrolle

Aus Kennebunkport R. Paasch

„Da isser, ich kann ihn sehen. Hat 'ne blaue Hose an!“ Für einen Augenblick setzt Joyce aus Massachusetts ihr Opernglas ab und vergewissert sich, ob auch Ehemann Jeff den Präsidenten im Zoom seiner Videokamera hat. Jenseits der kleinen Bucht macht sich George Bush daran, mit seiner geheimdienstlichen Entourage in den Hubschrauber „Marine One“ zu steigen, der gerade auf dem Rasen seines Feriensitzes an der Küste von Maine gelandet ist. „Hab ihn und auch Millie, den Hund“, gibt Jeff von seinem Mäuerchen an der Polizeisperre zurück. Die übrigen 150 Schaulustigen, die sich an diesem Morgen an der kleinen Halbinsel von „Walkers Point“ versammelt haben, sehen nur ein paar winzige Figuren. Und dann steigt der Hubschrauber auch schon über dem grauen Haus mit seinen spitzen Giebeln und den bungalowartigen Wohnquartieren des „Secret Service“ in die noch kühlen Meereslüfte, dreht über den Tennisplätzen und fliegt, hinweg über die malerischen, weißlackierten Holzhäuser am Hummerhafen der 4.000-Seelen-Gemeinde Kennebunkport, die Küste entlang.

Während das Pentagon gerade die größte militärische Luftbrücke seit dem 2. Weltkrieg in den Persischen Golf organisiert, läßt sich der Präsident der Vereinigten Staaten von seinem Urlaubsdomizil zum Golfplatz liften. „Der hat doch hier auf Walkers Point auch alle heißen Drähte zusammenlaufen“, beruhigt uns ein gutinformierter „Bush -Watcher“.

Auch eine Meile weiter nördlich, im eleganten „Shawmut Inn“, wo die professionellen „Bush-Watcher“ der Presse ihr Sommerlager aufgeschlagen haben, laufen die Drähte heiß. Schon vor dem Präsidenten hat ein Journalistenbus den Hotelhof Richtung Golfplatz verlassen. Die Fernsehreporter, die heute nicht mitkommen durften, widmen sich in den improvisierten Studios den Ereignissen am Persischen Golf.

11:30 Uhr. Der Kabelnachrichtenkanal CNN übeträgt die Pressekonferenz des irakischen Außenministers Tariq Aziz live aus Amman. Die Ausländer im Irak seien „Gäste“ und nicht „Geiseln“, verbessert er Präsident Bushs Wortwahl vom Vortag. Mit Aziz auf einem seiner Monitore füttert der Studiotechniker gleichzeitig den gerade eingetroffenen Drei -Minuten-Clip über George Bushs Abflug zum Golfplatz aus Kennebunkport in die Sendezentrale nach Atlanta: zur Verbreitung um die Welt. Genau wie auf Jeffs Privatvideo, nur daß Millie, des Präsidenten Cockerspaniel, der letztens so furchtbar krank war, diesmal gar im Großporträt auf dem Bild ist.

Nachdem dann auch Husseins Sprecher live aus Bagdad seine morgendliche Drohansprache verlesen hat, springt Charles Bierbauer, der Weißes-Haus-Korrespondent des CNN, vom Studiobildschirm auf, rennt auf sein Plätzchen vor dem wasserumspülten Küstenfelsen im Hotelpark und ist fünf Minuten später auf Sendung. Was er, der Korrespondent, denn meint, was George dazu meint, fragt der Moderator aus dem Studio in Atlanta. Und obwohl Präsident Bush noch gar nichts meinen kann, weil er nämlich gerade erst mit Stabschef Sununu am 11. Loch des Golfkurses angekommen ist, meint der Korrespondent aus Kennebunkport, der Präsident meine vermutlich so und so.

12:45 Uhr. Die ersten Bilder von George und John (Sununu) auf dem elektrischen Golfkarren laufen über den Studiomonitor. Ob der Präsident nicht lieber nach Washington zurück solle, fragt ein Reporter. „Der Präsident hat alles unter Kontrolle, wo immer er ist“, ruft Stabschef Sununu den Reportern zu. Also auch am 14. Loch. Endlich. Regierungssprecher Marlin Fitzwater kommt am Clubhaus des Golfplatzes ins Bild und wird zum Husseinschen Vergleich der „Aggression“ George Bushs mit Hitlers Taten befragt. „Hitler hat doch überhaupt nicht Golf gespielt“, entfährt es dem Bildtechniker. Und auch Fitzwater hat nichts Besseres zu sagen, als daß sich die ganze Welt darüber einig ist, daß sich Saddam gefälligst aus Kuwait zurückziehen solle. Acht Minuten Fitzwater, schnell in die Zentrale überspielen .

Selbst ohne den leidigen Konflikt im Mittleren Osten wären die Männer und gelegentlich auch Frauen der Networks und Printmedien auf den Fersen des Urlaubers George Bush. „Es ist die Angst, eine Story zu verpassen, die uns hierhertreibt“, sagt Julian, Cutter bei CNN, „nach all den Anschlägen auf US-Präsidenten in der Vergangenheit“. Die meisten der TV-Teams sind schon seit Jahren auf den Fersen des Präsidenten. Sie alle erinnern sich wehmütig an die wunderbar ruhigen Zeiten der Reagan-Urlaube. „Der ist in Santa Barbara vormittags mal auf den Berg geritten, und das war's dann“, sagt Wayne von NBC. Bush dagegen sei „hyperaktiv“. „Der geht selbst bei Windstärke 7 noch Angeln, und wir müssen mit“.

Die Gefahr der Vereinnahmung nach Jahren der Zusammenarbeit mit den Mächtigen sehen sie alle. „Aber dies ist keine Kumpanei, sondern eine langsam und mühsam aufgebaute Beziehung“, sagt Charles Bierbauer, der das Weiße Haus schon seit 1984 beobachtet. Nur die Newcomer in diesem Geschäft, wie Richard Gonzales vom liberalen „National Public Radio“ sind da kritischer. Der Weg vom Pressezentrum zum Pressebüro des Weißen Hauses schräg gegenüber sei viel zu ausgetreten. Das Bush-Team, das geben alle zu, manipuliere die Medien weitaus geschickter als die Reagan-Mannschaft dies tat. Auch gebe es immer wieder die eine mangelnde Unabhängigkeit signalisierenden „Wir-Fragen“, kritisiert Gonzales seine Kollegen: „Sollen wir denn nun Truppen nach Saudi -Arabien schicken?“

16:15 Uhr. Charles Bierbauer hat heute bereits zum dritten Mal „vom Ferienort des Präsidenten in Kennebunkport, Maine“ über die Reaktion des Golfspielers auf den Golfkonflikt berichtet. An der abgesperrten Küstenstraße am Meer wartet wieder eine neugierige Menge auf den Präsidentenhubschrauber. Draußen auf dem Meer patrouillieren die Speedboote der Küstenwache, um eventuelle Raketenangriffe irakischer Segelboote abzuwehren. Frau Barbara mit Enkelkind und Millie, dem Cockerspaniel, rennen zur Begrüßung über den Rasen. „Unerhört, daß der jetzt Urlaub macht“, schimpft einer aus der Touristenmenge. Doch die restlichen Bush-Fans sind da anderer Meinung. „Auch unser Präsident hat seinen Urlaub verdient...“