„Wie so ein Stück verlorenes Leben“

■ Erster Schultag nach 16 Jahren Berufsverbot

1974 verhängte die niedersächsische Landesregierung Berufsverbot über den Oldenburger Lehrer und DKP -Stadtverordneten, Hans-Joachim Müller. Nachdem sein langer Marsch durch die Gerichte erfolgreich endete, stand er am Donnerstag zum ersten Mal wieder vor einer Schulklasse.

taz: Der erste Schultag nach 16 Jahren Berufsverbot, wie hast Du Dich gefühlt?

Hans-Joachim Müller: Das ist zwiespältig. Zum einen ist man sehr gespannt auf das, was einen dort erwartet, und zum anderen verspürt man eine Unsicherheit, ob man nadieser langen Zwangssperre die Anforderungen erfüllen kann. Immerhin hatte ich den Eindruck, daß die Schülerinnen und Schüler nicht unzufrieden mit mir waren.

Und die Stimmung im Kollegium?

Freundlich, nett, interessiert, ich habe den Eindruck, es gibt keine Vorbehalte und insbesondere die Schulleitung ist sehr bemüht, mich zu unterstützen.

Du bist inzwischen aus der DKP ausgetreten?

Im Januar dieses Jahres. Das macht sicherlich einen Unterschied, sowohl was die eigene

Denkweise anbetrifft als möglicherweise auch im Blick auf mögliche Vorbehalte von Kolleginnen und Kollegen.

Hast Du es mal bereut, in der DKP gewesen zu sein und damit 16 Jahre Berufsverbot zu bekommen?

Aus heutiger Sicht betrachte, kommt mir natürlich ein gewisser Teil meiner DKP-Mitgliedschaft wie so ein Stück verlorenes Leben vor.

Dein Fall ist kein Einzelfall. Rund 100 LehrerInnen waren in Niedersachsen vom Berufsverbot betroffen. Vielen fehlt deshalb jetzt die Berufspraxis. Sind Schulleiter nicht eigentlich gut beraten, wenn sie lieber Referendare als ehemalige Berufsverbotene einstellen?

Man könnte das so sehen. Ich glaube, daß zur Rehabilitierung in einem solchen Falle gehört, was man bei mir gegenwärtig auch macht, nämlich eine ganze Menge Hilfestellungen zu geben, um den Wiedereinstieg zu ermöglichen. Ich werde zum Beispiel sechs Monate am Ausbildungsseminar sein und Hospitationsstunden bei anderen Kolleginnen und Kollegen nehmen.

Fragen: Dirk Asendorpf