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„Ich habe überhaupt keine jungen Lehrer, nur alte“

■ Was SchülerInnen des Hermann-Böse-Gymnasiums von der Vergreisung ihres Lehrerkollegiums halten

Der eine, schon ergraut, ist aller Illusionen beraubt. Er gibt sich konservativ, mit Schlips und Kragen. Ganz Autorität, duldet er

keine Abweichler, benotet hart und schätzt keine Kompromisse. Der andere, ehemals studentenbewegt, aber auch nicht mehr

ganz taufrisch, erinnert sich an seine Ideale. Er leistet sich zum legeren Sweatshirt die linke Gesinnung, ist beliebt aber kann sich

nie durchsetzen.

Blankes Vorurteil oder Bremer Schulrealität? Wodurch unterscheiden sich junge und alte LehrerInnen denn nun eigentlich? Und wie wirkt sich eine Überalterung des Kollegiums auf das Schulklima aus? Einige SchülerInnen des Hermann-Böse-Gymnasiums äußerten sich dazu.

Sascha, Schüler der 13. Klasse: „Ältere Lehrer? Ja, das merkt man schon. Junge Lehrer - also ganz junge - sind meistens engagierter, weil die noch nicht so viele schlechte Erfahrungen gemacht haben. Sie versuchen auch, mit den Schülern persönlich Kontakt zu kriegen. Sie machen AG's, versuchen den Unterricht freier aufzubauen. Während alte Lehrer mehr nach ihren Unterlagen arbeiten. Also wenn so'n alter Lehrer sagt, er will jetzt mal was Neues einbauen, dann ist das schon 'ne halbe Sensation!“. Andreas, ehemals Barkhof, meint: „Die Alten sind 'n bischen konservativer, strenger. Bischen rechtsorientiert, muß ich sagen.“

Eine Schülerin mit etwas ausgefallenerem Äußeren, hatte mit

ihren älteren Paukern ein besonderes Problem: „Also ich werde wohl bei einem Lehrer nicht im Kurs bleiben. Der guckt mich immer so an, obwohl er behauptet, er mache sich nichts aus Äußerlichkeiten. Aber ich wäre schon früher fast sitzengeblieben, weil die Lehrer mich ignoriert, einfach nicht drangenommen haben, egal ob ich mich meldete oder nicht!“

„Ich habe keine jüngeren Lehrer, nur alte“, sagt eine Schülerin. Auf die Frage, ob diese auch nach der Schule Interesse für die Belange der SchülerInnen zeigen würden, sagt sie: „Nee, die sind rein auf den Unterricht fixiert.“ Ihr Mitschüler weiß von einer Lehrerin zu berichten, „die war anders, nicht so konservativ, lockerer. Die ist jetzt aber abgegangen, weil ihr das Kollegium nicht gefallen hat. Das war ihr zu alt.“

Aber es gibt auch Positives über die alten Pauker zu hören. Kerstin, Mitglied der SchülerInnenvertretung: „Ich habe zwei Lehrer, die sind beide gleich alt, aber der eine wirkt viel älter. Und bei dem ist der Unterricht viel kompakter, weil der auch ein unheimliches Allgemeinwissen hat. Ich glaube, der Unterricht bei älteren Lehrer bringt mehr, weil die einfach mehr Erfahrung haben. Man bildet sich mit der Zeit ja auch immer weiter.“ Eine SV-Kollegin von ihr differenzierte das: „Die jungen Lehrer hier auf der Schule sind zum größten Teil lockerer und flexibler. Die meisten alten sind ziemlich konservativ und haben ihre Prinzipien in jeglicher Hinsicht, von denen sie nicht abweichen. Was Schulaktionen betrifft, sind auch eher die Jungen dabei. Schulfeste, Projektwochen und sowas in der Art. Ich mag ganz gerne Lehrer 'Alter Schule‘. So'n Alten, mit dem man reden kann, der aber auch seinen Unterricht durchzieht und nicht so pädagogisch auf einen einwirkt. Nach dem Motto: 'So, das

diskutieren wir jetzt erstmal aus.‘ Die jungen Lehrer geh'n auf einen ein, erdrücken einen aber nicht.“

Anissa Müller

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