Wird Zirkus Busch zum Erbstück?

■ Tournee wird voraussichtlich mit roten Zahlen enden / Neugegründeter Betriebsrat macht sich für die Ablösung des Geschäftsführers stark / Angebliche Erben in Nürnberg wollen um die Eigentumsrechte an dem Zirkus prozessieren

Ost-Berlin. Vor vier Tagen war für 'adn‘ die Zirkuswelt in der DDR noch in Ordnung. Es gebe Hoffnungen, meldete die Ostberliner Nachrichtenagentur, daß das Sanierungskonzept für den Zirkus Busch erfolgreich sein würde. Das war wohl Zweckoptimismus, denn die Realität sieht anders aus. Mit erschreckend wenigen Besuchern steht Zirkus Busch seit zweieinhalb Wochen in der Wuhlheide.

Um die laufenden Kosten decken zu können, muß dazugezahlt werden - die Saison ist ein Minusgeschäft, die Konsequenz ist der vorzeitige Abbruch. Der Geschäftsführer, Hartmut Schulz, fährt jetzt einen diktatorisch harten Kurs, um Geld für den Start der nächsten Saison zu erwirtschaften. Der Zirkus gibt seine bisherige Identität auf.

Bis vor einigen Tagen gab es viele Idealisten bei Busch, die eine Fortsetzung der Tournee in Berlin mit besserer Werbung und günstigeren Standorten für möglich hielten. Jetzt, zwei Tage vor Saisonabbruch, sind auch sie verstummt. Gescheitert ist auch der letzte Rettungsversuch der Belegschaft selber. Ein Gutteil der momentanen Misere gehe auf das Konto des Geschäftsführers, argumentierten Belegschaftsmitglieder; Schulz habe es nicht geschafft, den Zirkus den neuen Bedingungen anzupassen. Um Schulz loszuwerden, initiiert der ehemalige Werbechef des Zirkus‘, der Artist Michael Steinert, Mitte August die Gründung eines Betriebsrates. Am 24. August fand die erste und bisher letzte Vollversammlung statt. Die Mitarbeiter beschlossen dort einstimmig, dem Geschäftsführer Hartmut Schulz die Niederlegung seines Amtes vorzuschlagen. Michael Steinert fuhr eigens zur Treuhandgesellschaft, die die Ablösung des Geschäftsführers aufgrund des negativen Votums der Belegschaft beschloß. Zur Ablösung kam es allerdings nicht.

Hartmut Schulz bleibt also bis Ende September im Amt, erst dann ist seine Zeit als Geschäftsführer vorbei. Schon im Juni, als der Volkseigene Betrieb in eine GmbH umgewandelt wurde, hatte er die weitere Geschäftsführung vorsorglich nicht beantragt.

Der Ende September von der Treuhandgesellschaft neu zu bestimmende Direktor muß sich vor der nächsten Saison nicht nur mit den Altlasten auseinandersetzen, sondern sich auch mit einem ganz unverhofften neuen Problem auseinandersetzen: Vor einigen Tagen ist im Direktionswagen ein Unternehmer Scholl aufgetaucht, um dem notleidenden Zirkus Busch einen Prozeß anzukündigen. Er handle im Auftrag rechtmäßiger Erben des Unternehmens, von Nachfahren des Zirkus Busch in Nürnberg. Die Erben (die allerdings nur über drei Ecken mit dem Zirkusgründer verwandt sind) wollen den Zirkus und seinen Namen einklagen. Die Kommunisten, behaupten die Erben, hätten den Zirkus bewußt zugrunde gerichtet.

Wenn sich diese Behauptungen nachweisen lassen, wäre die Treuhandgesellschaft wahrscheinlich nicht traurig, den unbequemen Zirkus loszuwerden. Und vielleicht wären zirkusinteressierte reiche Erben sogar die Rettung für den 78 Jahre alten Busch-Nürnberg-Zirkus, dessen Flaggen auch heute noch Weiß-Blau tragen.

Jakob Kühn