Leo Trotzki

■ betr.: "Weltgeist auf stählernem Roß" (Lebensroman und Daseinsverfehlung), taz vom 21.8.90

betr.: „Weltgeist auf stählernem Roß“ (Lebensroman und Daseinsverfehlung), taz vom 21.8.90

Eine Revolution sei kein Deckchensticken, hieß es einst bei Mao Zedong. Und eine Demo gegen Fahrpreiserhöhungen ist kein Bürgerkrieg... Gerd Koenen, der den Lebenslauf Lew Dawidowitsch Bronsteins aus der Perspektive eines „nach kurzem verheerendem Wüten“ als KBW-Kader und Pol-Pot -Apologet politisch geläuterten und literarisch dilettierenden Journalisten nachzeichnet, liegt allemal daneben.

Sachliche Fehler - nicht die bolschewistische Partei scheute vor dem Aufstand im Oktober 1917 zurück, sondern ein Teil der Führungsgruppe um das Zweiergespann Sinowjew/Kamenjew - von der Trotzki-Forschung längst in den Papierkorb beförderte Legenden und Gemeinplätze - der Rebhuhn-Refrain - und schließlich simple Verwechslungen (Spengler statt Schiller, Trotzki statt Isaak Babel) häufen sich in einem Maße, wie man es sonst nur vom inzwischen ebenfalls geläuterten Trotzki-Experten der Breschnjew-Ära, Nikolai Wassezki, kannte.

Die wichtigste Gemeinsamkeit zwischen Koenen und Wassezki: Sie schreiben weiter, als wäre nichts geschehen.

Rolf Wörsdörfer, Frankfurt am Main (BRD)

(...) Koenens Mischung aus viel Dichtung und wenig Wahrheit gipfelt in der Behauptung, dem „überspannten Revolutionalismus“ von Trotzkis Aufrufen habe „kein Versuch eines ernsthaften revolutionären Widerstands“ gegen das Stalin-Regime entsprochen. Dies von einem Menschen zu behaupten, der für sein Festhalten an den sozialistischen Zielen der Oktoberrevolution, für seinen Kampf gegen den Stalinismus nicht nur mit dem Verlust all seiner Macht, sondern auch mit seinem Leben (und dem seiner halben Familie) bezahlen mußte, ist eine Verleumdung, die denen Stalins, Wyschinksis & Co. in nichts nachsteht, allerdings aus dem Munde eines früheren Pol-Pot-Apologeten kaum verwundert.

Horst Lauscher, Frankfurt am Main (BRD)