„Kinderstube“ der Fische bedroht

■ Greenpeace-MitarbeiterInnen blockieren Raketenerprobungen der Bundeswehr im Wattenmeer

Meldorf (taz/ap/dpa) - Die Waffentests der Bundeswehr, die seit einer Woche in der Meldorfer Bucht stattfinden und heftige Proteste von Umwelt- und Tierschützern auf sich gezogen haben, mußten am Mittwoch gestoppt werden. Mehr als 40 Mitglieder der Umweltschutzorganisation Greenpeace ketteten sich gegen sechs Uhr morgens an der Abschußrampe der in der Erprobung befindlichen Scheinzielraketen fest. Gleichzeitig hievten sie mehrere Schlauchboote von der Wasserseite her direkt in die Schußlinie. Mit drei Schlauchbooten und einem Ponton fuhren die Greenpeace -Mitarbeiter rund 500 Meter weit vor den Deich ins Wattenmeer hinaus. Die erst zwei Stunden später am „Tatort“ erschienene Polizei griff nicht ein. Von einem für den Nachmittag anberaumten Gespräch mit dem Leiter des Übungsplatzes wollten es die Umweltschützer abhängig machen, ob sie die Schießstelle räumen oder die nächsten Tage ausharren werden.

Die unter der Schutzherrschaft der Bundeswehr von einer Rüstungsfirma durchgeführten Raketentests dienen zur Erprobung eines relativ neuen Waffensystems, durch das feindliche infrarotgesteuerte Lenkflugkörper von ihrem Ziel „weggelockt“ werden sollen. Die Raketenprojektile wurden nach den Beobachtungen von Greenpeace stets im Zwölf-Minuten -Rhythmus abgefeuert und detonierten in einer Feuerwolke über dem Wattenmeer. Sie verschrecken nicht nur die 120.000 Brandgänse, die gegenwärtig in der Dithmarscher Bucht rasten und dort ihr Federkleid wechseln. Die Gänse befinden sich in der Mauser und können deshalb nicht fliegen. Die seit rund zwanzig Jahren bis zu 100 Tagen pro Jahr erlaubten militärischen Trommelfeuer vor Büsum stellen nach Auffassung von Greenpeace generell einen empfindlichen Eingriff in das Öko-System Wattenmeer dar.

Durch die dauernden Schießübungen, so Kampagnenleiter Peter Püschel, würden nicht nur die „Kinderstube“ für viele Fischarten, sondern ein wichtiges „Filtersystem“ für die verdreckte Nordsee bedroht. Die Fläche, die dem Bund in der Meldorfer Bucht gehört, beläuft sich binnendeichs auf etwa 1.700 Hektar. Im Watt und Vorland sind es 1.500 Hektar. Die Bundeswehr vertritt die Auffassung, daß aufgrund von Abmachnungen mit der Landesregierung sogar bis 44 Kilometer weit auf die Nordsee hinaus geschossen werden darf. Angeblich sei es Wunsch der Landesregierung gewesen, die Erprobungsstelle einzurichten.

Meldorf sei keine Ausnahme: Spanien, Holland und Dänemark würden dieselben Kriegsspiele an ihren Küsten treiben. Die Verantwortlichen der Waffenübungsstelle haben Anzeige erstattet.

Gabi Haas