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Mietwuchergeschäfte mit AsylbewerberInnen

Münster (taz) - Die Versäumnisse im sozialen Wohnungsbau machen es möglich. Jahrelang betrieb ein Münsteraner Vermieter ungeschoren Mietwucher mit Asylbewerbern. Er vermietete zur Unterbringung von Asylbewerbern 18 Wohnungen an das Sozialamt - zu Quadratmeterpreisen bis zu 100 DM. Um die hohen Mieten zu rechtfertigen und tageweise abrechnen zu können, verwandte er einen Trick: Da er auch Hotelbesitzer ist, vermietete er auch die im ganzen Stadtgebiet verstreuten Wohnungen als „Ferienwohnungen“, die angeblich „hotelangebunden“ und dementsprechend eingerichtet seien. Monat für Monat bescherte das Sozialamt dem Vermieter 78.000 DM für die 18 Wohnungen.

In den Wohnungen, für die es keine schriftlichen Verträge gab, herrschten allerdings katastrophale Zustände. Bis zu 21 Personen mußten sich eine Vierzimmerwohnung teilen. Die Möbel scheinen vom Sperrmüll zu stammen, und sanitäre Anlagen und Kücheneinrichtungen sind oft unbrauchbar. Beschwerden der BewohnerInnen über die Wohnungseinrichtungen an das Sozialamt brachten nichts. Dort bekamen sie nur zu hören, daß man gegen den Vermieter nichts unternehmen könne; schließlich vermiete er jede Menge Wohnungen an das Sozialamt.

Anfang August war man im Sozialamt allerdings gezwungen, sich darüber Gedanken zu machen. Ein Münsteraner Stadtmagazin war dem Mietwucher auf die Schliche gekommen, andere Medien zogen nach. Unter dem Druck der Öffentlichkeit entschloß sich das Sozialdezernat, dem Vermieter den Schwarzen Peter zuzuschieben. Er habe eine Situation, „in der die Kommunen mit dem Rücken zur Wand stehen“ (Sozialdezernent Tillmann), schamlos ausgenutzt. Kein Wort darüber, daß der soziale Wohnungsbau in Münster seit Jahren brachliegt und die Stadt in diesem Jahr voraussichtlich einen Großteil der Spitzenförderung für den sozialen Wohnungsbau ungenutzt an das Land NRW zurückgeben muß. Kein Wort auch darüber, daß man sich um die Beschwerden der BewohnerInnen jahrelang nicht gekümmert hat. Zunächst, so war aus Politikerkreisen zu hören, plane die Verwaltung wohl, dem Vermieter ab September nur noch die ortsüblichen Mieten zu zahlen und seine Wohnungen im Notfall zwangszubelegen. Doch am 29. August wurde den BewohnerInnen der „Ferienwohnungen“ und des Hotels des Eigentümers insgesamt rund 200 Menschen plötzlich mitgeteilt, daß die Wohnungen zum 1. September gekündigt werden und sie sich am 31. August mit ihren Koffern am Sozialamt einzufinden haben. Dort sollen den Flüchtlingen Wohn-Container zugewiesen werden. Nun müssen die Asylsuchenden ausbaden, was die Kommune verpatzt hat.

Damit das Sozialamt seine Hände möglichst schnell reinwaschen kann, sollen die Flüchtlinge innerhalb von drei Tagen ausziehen. Auf die individuellen Probleme der AsylbewerberInnen wie Krankheit, Schwangerschaft oder durch den Umzug erzwungenen Schulwechsel wird keine Rücksicht genommen. Den Druck, dem das Sozialamt zu Recht ausgesetzt ist, gibt es einfach nach unten weiter.

Ellen Petry

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