Leipzig: Die Herbstmesse wächst sich zum Flop aus

■ Schaulustige bleiben aus und die Fachbesucher lassen zu wünschen übrig

Leipzig (taz) - Zum Wochenbeginn hatte die Messe noch ein arithmetisches Rätsel: 6.000 Aussteller sollten ursprünglich kommen, 4.500 kamen tatsächlich, und trotzdem existierte eine Warteliste von 200 Firmen, um ihre Produkte zu präsentieren. Die Liste dürfte inzwischen nicht mehr existieren. Wer am Montag oder Dienstag partout noch einen Stand wollte, bekam ihn auch. Denn über alle Unkenrufe hinaus ist die Messe, einst weltbekannte Pflichtausstellung für Ost und West, zum desaströsen Unterfangen geworden.

Zur Mittagszeit sind die Gänge in den Hallen und die Straßen auf dem Freigelände so leer wie sonst nur am frühen Morgen des letzten Ausstellungstags, wenn alle ihren Rausch von den Besäufnissen des Vorabends ausschlafen. Die Schaulustigen der früheren Jahre sind völlig ausgeblieben. Der happige Eintrittspreis - trotz kurzfristiger Halbierung auf 12 DM immer noch doppelt hoch wie im Vorjahr - hat viele abgeschreckt, die die West-Waren genausogut in einem Schaufenster betrachten können. Das schlechte Wetter ist ein weiterer Grund. So dominieren die Anzugträger das Geschehen, die Fachbesucher, die allerdings auch der Gradmesser für Erfolg oder Mißerfolg einer solchen Exposition sind. Die blieben allerdings auch weit hinter den Erwartungen zurück. Die Stimmung auf den Ständen reicht von wütenden Kopfschütteln angesichts der bezahlten Quadratmeterpreise von 200 DM bis hin zum lakonischen Schulterzucken eines Standmannes von Siemens: „Im nächsten Jahr kommen wir nicht mehr wieder.“ Ob die Messe den Besucherschwund durch ein neues Konzept auffangen kann, ist noch ganz unklar. Denn an den Rahmenbedingungen kann sie nicht viel ändern: Mit den Wirtschaftskrisen im RGW und der Verrechnung auf Devisen -Basis hat der Zahn der Zeit die Ost-West-Drehscheibe bereits zernagt. Der anhaltende Zerfall der Ökonomie in der DDR selbst führt ebenfalls zum ausbleibenden Interesse an Verkaufsfläche einerseits und Kaufinteresse andererseits. Wenn derzeit Geschäfte gemacht werden, dann mit sehr viel Überlegungen und Beratungen in den entsprechenden Firmenabteilungen, nicht aber auf der Messe. Und wenn es denn überhaupt in absehbarer Zeit zu einem Aufschwung in den fünf neuen Bundesländern kommt, wird er wohl kaum zur Frühjahrsmesse 91 einsetzen, die kurz vor der weltweit renommierten Hannover-Messe Industrie liegt. Und damit wären die Invest-Güter endgültig raus aus Leipzig - da kann sich die Messegesellschaft noch so viel Mühe geben, die Infrastruktur zu verbessern. Ob aber bei einer fortgesetzten Krise und einer sächsischen Arbeitslosigkeit um die 25 Prozent auch nur regionale Konsumgüterschauen eine Zukunft haben, steht noch in den Sternen. Diese Zukunft herbeizureden, wie es in den offiziellen Statements noch im Frühjahr und jetzt im Herbst durchgehend der Fall war, könnte auch ein drittes Mal scheitern. Ein bißchen hat Image denn doch auch mit der Realität zu tun.

Dietmar Bartz