Informanten „ehrenhalber“?

■ Schriftsteller sollen über Geld nicht reden dürfen

Mit nahezu katholischem Augenaufschlag und der zugehörigen moralischen Fassungslosigkeit berichtet das „Magazin“ der 'Süddeutschen Zeitung‘ ('SZ‘) vom Versuch Stefan Heyms, für ein Hintergrundgespräch „von etwa einer dreiviertel Stunde“ ein Honorar zu verlangen. Als besonders unangenehm wird vermerkt: ausgerechnet Heym, der „kürzlich sehr genau, sehr unnachsichtig beschrieben habe, wie sich seine Landsleute aus der DDR nach der Wende im Kaufrausch auf den westlichen 'Glittertand‘ gestürzt hätten“. Verwundert reibt sich der 'SZ'-Autor die Augen, denn in 22 Berufsjahren habe er „mit bedeutenden Politikern und berühmten Fußballspielern und Showstars und Bestsellerautoren geredet“, „ohne daß je diese kleine Frage gestellt worden wäre“ - die nach dem Honorar.

Daß Politiker, Fußballspieler und Showstars für (Hintergrund-)Gespräche keine Honorarforderungen stellen, ist gut zu wissen, hängt sicher auch damit zusammen, daß sie exzellent bezahlt werden und im Vergleich zu Schriftstellern teils astronomisch hohe Einkünfte haben. Sobald es um „Bestsellerautoren“ geht, wird es problematischer: in der Buchbranche ist, wer alle zwei Jahre einen Roman schreibt und davon - in zwei Jahren - 5.000 bis 7.000 Exemplare verkauft, bereits ein Bestsellerautor. Nehmen wir an, die 'SZ‘ meine jene, die mit Startauflagen von 100.000 Exemplaren figurieren; dann ist es in der Tat „branchenüblich“, daß solche Kollegen für Gespräche keine Honorare verlangen. Sie können sich das leisten.

Ganz anders hingegen die überwiegende Mehrzahl von Schriftstellern, deren „Einkünfte aus schriftstellerischer Tätigkeit“ sich vorwiegend am Existenzminimum bewegen, die nur deshalb die untere Einkommensgrenze zur Künstlersozialkasse (etwa 7.000 DM jährlich) überschreiten, weil sie von literarischen „Gemischtwarenläden“ überleben: Lesungen, Moderationen, Funkaufträge, Publikationen in Zeitschriften... Denn: von Einkünften aus ihren Büchern können die meisten Schriftsteller nicht leben. Bücher sind, so könnte man zugespitzt formulieren, Luxus, den Autoren sich leisten.

Je nach öffentlichem und/oder politischem Stellenwert eines Autors gehören (Hintergrund-)Gespräche zum Autorenalltag. Die meisten Autoren sind - aus den verschiedensten Gründen gern dazu bereit. Von einem Medium dafür ein Honorar verlangen, ist den meisten Autoren leider immer noch nicht selbstverständlich - und zudem gilt es, wie man sieht, denen, die durchaus davon profitieren, als anrüchig.

Es müßte umgekehrt sein: ganz selbstverständlich müßten Journalisten - und nicht nur sie - Schriftstellern Honorare zusagen. Aber wer denkt als festangestellter, oft gutbezahlter Redakteur schon daran, daß Autoren meist keine festen Gehälter beziehen, viele von ihnen sich zweihundert und dreihundertmarkweise über den Monat oder durch die Jahre hangeln? Denkwürdig der Satz eines hochbezahlten Angestellten der Westberliner Kulturverwaltung: der Kulturbetrieb könne ohne ehrenamtlich Tätige nunmal nicht funktionieren. Richtig. Aber sollen „die Ehrenamtlichen“ ausgerechnet und immer wieder die ohnehin schlechtbezahlten Schriftsteller sein?

Anna Jonas