Weltpremiere: Europa-Betriebsrat bei VW

■ In Wolfsburg wurde die erste internationale Belegschaftsvertretung gegründet / Management war aber gegen einen Vertrag

Aus Wolfsburg Martin Kempe

Die Gründung des ersten europäischen Gesamtbetriebsrats ging recht unspektakulär über die Bühne: Auf dem VW-Werksgelände in Wolfsburg kamen Ende letzter Woche die Belegschaftsvertreter der inländischen VW-Werke, von Audi -Neckarsulm, der spanischen VW-Tochter SEAT und von VW -Brüssel für zwei Tage zusammen, um einen europäischen VW -Konzernbetriebsrat abzusegnen. Dabei handelt es sich um eine Weltpremiere: Zum ersten Mal wurde eine länderübergreifenden Belegschaftsvertretung eines international agierenden Konzerns institutionalisiert.

Eine erfolgreiche Vertretung von Arbeitnehmerinteressen, argumentierte der neugewählte Präsident der europäischen Belegschaftsvertretung, der Hannoveraner VW -Betriebsratsvorsitzende Gerhard Mogwitz, sei „auf einen geschlossenen und handlungsfähigen europäischen Konzernbetriebsrat angewiesen“. Denn längst geht es innerhalb der weltweiten Strategien der Autokonzerne nicht mehr allein um die schlichte Verlagerung der Produktion in Billiglohnländer. Ein international agierender Konzern wie VW kann Lohnsteigerungen in dem einen Werk durch Produktionsverlagerung in ein anderes auffangen. Streiks laufen ins Leere, wenn der Konzern den Produktionsausfall in dem einen Land durch Ausweitungen anderswo ausgleichen kann.

Das soll bei VW gar nicht erst passieren. In der Geschäftsordnung des neu gegründeten „europäischen Volkswagen-Konzernbetriebsrats“ verpflichten sich die Mitglieder zu einem „gemeinsamen solidarischen Handeln in allen Fragen, die von grenzüberschreitender Bedeutung sind und die Interessen anderer Belegschaften betreffen“. Insbesondere bei der Arbeitszeit- und Schichtenregelung will man zu einheitlichen Positionen kommen und dazu beitragen, daß für alle europäischen Standorte des VW-Konzerns in gleicher Weise die Beschäftigung gesichert wird. „Wir sind nicht gegen Verlagerungen“, erläuterte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende der inländischen VW-Werke, Klaus Volkert, „aber die Betroffenen müssen sozial abgesichert werden.“ Der Europa-Betriebsrat bei VW wolle für „einen fairen Ausgleich der Entwicklungschancen und der Beschäftigungssicherheit“ sorgen.

Den deutschen Betriebsräten scheint klargeworden zu sein, daß die Geschäftsgrundlage für eine inländische Interessenvertretung durch die internationalen Strategien des VW-Konzerns längst umgeschrieben wurde. Die gegenseitige Abhängigkeit zwischen den in- und ausländischen Belegschaften wurde bei der Zusammensetzung des europäischen Betriebsrats berücksichtigt. Zwar stellen die Deutschen mit 10 von 17 Mitgliedern die eindeutige Mehrheit. Aber die Geschäftsordnung sieht vor, daß im Präsidium des Gremiums, das die laufende Arbeit erledigt, aus jedem Land mindestens ein Gewerkschafter vertreten ist.

Die VW-Betriebsräte waren sichtlich stolz darauf, als erste den Schritt über die deutschen Grenzen getan zu haben. Es ist ein rechtlich nicht abgesicherter Schritt, denn es gibt noch kein europäisches Betriebsverfassungsrecht. Man ist auf die wohlwollende Duldung des Konzerns angewiesen, der schließlich die Kosten für das neue Gremium tragen muß. „Wir können uns gar nicht vorstellen, daß es da bei uns Schwierigkeiten gibt“, meinte Betriebsratssprecher Hans -Jürgen Uhl. Bei VW hat die Sozialpartnerschaft zwischen Vorstand und Betriebsrat Tradition. Aber einen Vertrag über die Einrichtung des Europa-Betriebsrats wollte das Wolfsburger Management denn doch nicht abschließen. Schließlich würde als nächster Schritt die Gründung eines Weltbetriebsrats folgen. Auch das ist schon angedacht. Aber an die Realisierung denkt man erst in ein paar Jahren.