Die irakische Herausforderung

■ Israels Warnungen wurden in den Wind geschlagen

DEBATTE

Als Ende Juli irakische Truppen an der Grenze zu Kuwait aufmarschierten, verlautbarten Politiker aller Couleur, Saddam Hussein werde niemals einen arabischen Bruderstaat angreifen; vielmehr wolle er durch diese Drohgebärden lediglich den Ölpreis in die Höhe treiben. Nur in Israel wollte man sich auf derlei gutgläubige Einschätzungen westlicher Kommentatoren nicht so recht verlassen; schließlich hatte man schon seit Jahren vor den Konsequenzen einer ungebändigten Aufrüstung des Iraks gewarnt und - wenn auch erfolglos - auf die wachsenden politischen und militärischen Gefahren durch den irakischen Tyrannen hingewiesen.

Als schließlich Kuwait doch überfallen und okkupiert wurde, tat die Welt völlig überrascht, so als hätte es die israelischen Warnungen nie gegeben.

Es ist noch kein halbes Jahr her, daß Saddam Hussein mehrfach erklärte, er beabsichtige bei passender Gelegenheit die Zerstörung Israels durch einen Giftgasangriff. Anstatt diesen notorischen Judenhasser zumindest durch ein Waffenembargo an der Realisierung seiner Absichten zu behindern, hörte man von westlichen Politikern wieder nur beschwichtigende Worte: Saddam Hussein sei doch nur ein Großmaul, der durch eine betont antiisraelische Rhetorik in der arabischen Welt Popularität zu erheischen trachte.

Seit weit über zehn Jahren haben arabische und westliche Länder sowie die UdSSR dem Irak zu einem gigantischen Militär- und Zerstörungspotential verholfen. Dabei haben sich insbesondere auch deutsche Unternehmen durch die Lieferung von Giftgas- und Atomanlagen hervorgetan. Daß sie dabei einen skrupellosen Diktator und Massenmörder ausrüsteten, stellte nie ein echtes Hindernis dar.

Als aber die israelische Luftwaffe 1981 den irakischen Atomreaktor in der Nähe Bagdads zerstörte, um sich vor einer möglichen Realisierung von Saddams Vernichtungsprogramm vorerst zu schützen, protestierte man in vielen Ländern scheinheilig. Wiederum dauerte es Jahre, bis vielen bewußt wurde, wie weitsichtig die damalige Zerstörung der irakischen Atomfabrik war.

Die Golfkrise macht einmal mehr deutlich, daß eine Vielzahl von politischen Einschätzungen hinsichtlich des Mittleren und Nahen Ostens falsch waren und sind:

Der erste und folgenschwerste Irrtum besagt, daß Israels Politik die eigentliche Ursache für die Spannungen in dieser Region ist. Würde es einmal die besetzten Gebiete zugunsten eines palästinensischen Staates abtreten, würde sich der Frieden von selbst einstellen. Doch in Wahrheit kann ein solcher Frieden nicht von den Palästinensern garantiert, sondern nur von den arabischen Staaten unterschrieben werden. Diese aber haben sich - mit Ausnahme Ägyptens - noch immer nicht mit der Existenz eines jüdischen Staates abgefunden.

Saddam Hussein hat erst dieser Tage die arabische Welt zum Heiligen Krieg aufgerufen, dessen offen erklärtes Endziel die Einnahme Jerusalems und die Zerstörung Israels zum Inhalt hat. Man hüte sich vor der Unterschätzung dieses Kriegsziels.

Die zweite Fehleinschätzung betrifft Arafat und die PLO. Angesichts der unmißverständlichen palästinensischen Solidaritätsbekundungen mit dem Vorgehen des irakischen Herrschers ist die Glaubwürdigkeit der PLO vollends zerbrochen. Deshalb ist es auch weiter nicht verwunderlich, wenn unterdessen selbst die israelische Linke, die ja neben den Palästinensern zu den großen Verlierern des Golfkonflikts zählt, Abstand vom Glauben an die Zuverlässigkeit der PLO genommen hat und selbst die Rückgabe der besetzten Gebiete zunehmend in Zweifel zieht.

Denn wer die Beendigung der irakischen Annexion Kuwaits von einem Ende der israelischen Besetzung des Gaza-Streifens und der Westbank abhängig macht oder auch nur einen derartigen Vergleich heranzieht, unterliegt einem weiteren Irrtum: Niemals hat Kuwait das Existenzrecht des Iraks in Frage gestellt oder etwa behauptet, es gelte, den Irak von der Landkarte zu wischen. Demgegenüber hat es von palästinensischer und arabischer Seiten seit über 40 Jahren nicht an realen Versuchen gemangelt, Israel auszulöschen. Solange indes die arabischen Staaten ein Friedensabkommen mit Israel und damit dessen Existenzrecht verweigern, solange wird es einen palästinensischen Staat wohl kaum geben.

Die Forderung, die anglo-amerikanischen Truppen hätten sich aus der Golfregion zurückzuziehen, um eine „arabische Lösung“ der Golfkrise zu ermöglichen, verkennt die simple Tatsache, daß selbst die Vereinigung aller arabischen Länder zu schwach wäre, der irakischen Militärmaschine auch nur etwas Adäquates entgegenzusetzen. Einmal ganz abgesehen davon, daß es im Laufe der Vergangenheit fast noch nie zu einer arabischen Lösung innerarabischer Konflikte gekommen ist, wie die Situation im Libanon wohl zu Genüge belegt.

Der irakische Überfall auf Kuwait zeigt eindrücklich, daß es die arabischen Diktaturen selbst sind, die bis heute vom Wunsch nach Vernichtung Israels nicht abgelassen haben und auch untereinander vor Krieg und Blutvergießen nicht zurückschrecken. Wer annimmt, man könne derartigen Diktaturen politisches Vertrauen schenken, ist ein weltfremder Phantast. Deshalb wird man sich auch mit einem Rückzug des Iraks aus Kuwait nicht zufrieden geben können. Die vollständige Zerstörung der irakischen Giftgas- und Atomanlagen zählt zum mindesten, was der Irak als Preis für seine militärischen Eskapaden zu zahlen haben wird. Andernfalls bliebe Saddam Hussein die Möglichkeit offen, sein Giftgas- und Atombombenprogramm noch auszubauen und die nächst bessere Gelegenheit zum Angriff auf benachbarte Staaten und Israel abzuwarten.

Deutschland (West oder Ost), das Milliardenbeträge an der militärischen Aufrüstung des Iraks verdient hat, wird sich dann auch nicht weiter davor drücken können, zumindest einen finanziellen Beitrag zur Niederringung des Iraks beizusteuern.

Benny Peiser

Der Autor ist Sprecher des Frankfurter Kreises gegen Antisemitismus.