Auf den letzten Drücker

■ Berliner Senat will Bundesratsinitiative für Fristenregelung starten

Berlin/Bonn (taz) - Die rot und rot-grün regierten Bundesländer wollen in Sachen Paragraph 218 doch noch initiativ werden. Vor Monaten kündigte der Westberliner Senat an, im Bundesrat einen Gesetzentwurf zur Straffreiheit der Abtreibung während der ersten drei Schwangerschaftsmonate einzubringen. Der Entwurf ist fertig und soll am kommenden Dienstag vom Senat abgesegnet werden. Falls er bei den BerlinerInnen nicht durchkommt, will die niedersächsische Landesregierung in die Bresche springen. Am nächsten Donnerstag wollen dort SPD und Grüne im Landtag einen entsprechenden Entschließungsantrag verabschieden.

Der Berliner Entwurf sieht neben der dreimonatigen Fristenlösung einen Rechtsanspruch auf Beratung und soziale Hilfen vor. Aussichten auf Erfolg hat die Initiative aber nur, wenn der Entwurf bis spätestens 21.September im Bundesrat eingebracht wird, letzter Termin vor den Landtagswahlen in der DDR. Danach übernimmt dort voraussichtlich die CDU die Macht. Noch hat die SPD im Bundesrat die Mehrheit.

Entschieden ist noch nicht, ob sich die SPD-regierten Länder auch geschlossen hinter den Entwurf stellen. Als unsicherer Kandidat gilt besonders NRW-Ministerpräsident Rau. Außerdem heißt es, daß SPD-Chef Vogel alle Initiativen bremse, noch vor dem 2. Dezember ein Gesetz zur Fristenlösung vorzulegen. Ob er dem Bundeskanzler versprochen hat, die Abtreibungsfrage aus dem Wahlkampf herauszuhalten? Vielleicht war das ja der Preis für den Kompromiß der zweijährigen Übergangsregelung. Scheitern könnte die Gesetzesinitiative im Bundesrat auch an den Justiz- und Finanzministern der SPD-Länder - aus Kostengründen. Diese Befürchtung besteht im Kreise der Frauenministerinnen.

Verwirrung stiftet inzwischen die Frage, ob und wie die gesetzlichen Krankenkassen Abtreibungen bezahlen, die Frauen aus der BRD nach dem 3. Oktober auf DDR-Gebiet vornehmen lassen. Ein Sprecher aus dem zuständigen Bundearbeitsministerium erklärte gegenüber der taz, daß die Kassen, gemäß Reichsversicherungsordnung, für nicht rechtswidrige Abbrüche aufkommen müßten. Da im Einigungsvertrag festgeschrieben worden sei, daß Frauen aus der BRD straffrei bleiben, wenn sie in der DDR nach der dortigen Fristenlösung abtreiben lassen, müßten die Kassen in diesen Fällen auch bezahlen. Das Bundesjustizministerium und das zuständige Bundesversicherungsamt in Berlin hätten in dieser Frage ein entsprechend „eindeutiges Votum“ abgegeben, sagte der Sprecher.

Bei den meisten großen Krankenkassen gibt es in dieser Frage jedoch noch Unklarheit. Die AOK in West-Berlin wollte auf Anfrage der taz noch „keine endgültige Aussage machen“. Die Sprecherin ging aber davon aus, daß die AOK die Kosten für Abtreibungen wie bei anderen ärztlichen Behandlungen auch übernehmen wird. Zu befürchten ist, daß sich andere Kassen ein Beispiel nehmen an den beiden Landwirtschaftskassen im süddeutschen Raum, die sich seit geraumer Zeit weigern, Abtreibungen auf Notlagenindikation hin zu bezahlen, obwohl sie von Rechts wegen dazu verpflichtet sind.

Frauen, die zukünftig in die DDR zum Abtreiben fahren, müssen damit rechnen, daß sie die Kosten für den Eingriff zunächst selbst bezahlen und dann die Rückerstattung bei ihren Kassen beantragen müssen. Eine Abtreibung in der DDR soll derzeit rund 300 DM kosten.

T. Stadlmayer/U. Helwerth