Empfängnishilfe

■ „Bad Times for Rock'n'Roll“ von Botsuana Errrror und „The Fruits of Sin&Labor“ von The Perc Meets the Hidden Gentlemen

BERLINER PLATTENTIPS

Man sollte es ja nicht glauben, aber aus manchen Bands kann tatsächlich noch etwas werden. Zuweilen sogar etwas Besseres als früher. Bei „Botsuana Errrror“ war das allerdings auch nicht allzu schwierig. Das beste an ihrem Erstling Whom Did 'Ya Fuck Last Night von 1988 war noch die Ehrlichkeit, bereits im Titel alle Intentionen der Band offenzulegen und so das Anhören der Platte selbst überflüssig zu machen. Früher waren Botsuana Errrror grauenhafte Grufties, jetzt sind sie ganz passable Hardrocker.

Nach der ersten Platte verließ der damalige Sänger die Band, und daher rührt wohl auch zuallererst der - zumindest

-musikalische Stimmungswandel, denn textlich und in Interviews bestehen Botsuana Errrror weiterhin auf ihrem penetranten vermoderten Cool-as-Scheiße-Image: „Also, ich führ‘ so 'n typisches Looserleben oder so. Gestern hat das so ausgesehen, daß ich abends saufen gegangen bin, und heut früh hab‘ ich dann irgendwann gekotzt, meine Freundin hat geheult, und ich hab‘ erzählt, daß ich so nicht weiterleben will...“ (Bassist Frank in einem Radio-100-Interview). So zu leben, ist eine Sache. So was im Radio großkotzig zu erzählen und noch im Info abzudrucken, dann doch eher eklig.

Ihre zweite LP heißt Bad Times for Rock'n'Roll (Snakefarm Records, Semaphore) und bietet, was man so hübsch landaus, landein Sleaze-Rock nennt. Also, schwarz gefärbte, lange Haare, viel schwarzes Leder, allerlei Hängereien wie Kruzifixe, Stirnbänder und jede Menge Dreck (aber gepflegt muß er sein, wie mein Patenonkel zu sagen pflegte). Wer eine Guns'n'Roses-Platte gehört hat, weiß, wie sich alle Sleaze-Rock-Bands anhören. Nun habe ich allerdings eine gewisse Schwäche für Guns'n'Roses und all den Siebziger -Hardrock-Mist, auf den der Sleaze-Rock zurückgeht: Thin Lizzy oder AC/DC, und genau hier fangen auch Botsuana Errrror an, zumindest ansatzweise gut zu werden, nämlich, wenn sie nicht mehr als Bluesrock spielen. Und das tun sie dann wenigstens gut, manchmal sogar sehr gut.

Wirklich bemerkenswert in den durch und durch durchschnittlichen Songs sind allerdings die Texte. Debile Zeugnisse aus der Unterwelt des Machismo, ein Gestammel, das in jedem zweiten Alptraum eines durchschnittlichen Kreuzberger Barmanns vorkommen muß: „Ten days in hell/ Ten days in hell/ They made me sick/ They made me yell.“

Auf eine ganz andere Art anstrengend sind „The Perc Meets the Hidden Gentlemen“. Das Duo aus Tom Redecker und Emilio Winschetti (dessen andere Projekte wie Mint im Moment wohl darniederliegen) hüpft auf seiner neuesten Platte wild zwischen den Stilen hin und her. The Fruits of Sin&Labor (Strange Ways Records, EFA) soll nach Infos eine Mini-LP sein, ist aber fast 50 Minuten lang, dabei auf 2.000 Stück limitiert und erscheint nur auf Vinyl (zahlt nicht mehr als 15 DM!). Soll hier an einem noch nicht vorhandenen Kult gebastelt werden?

In welch unterschiedlichen Stilen sich der Verborgene und sein Kumpel zu Hause fühlen, belegen eindrucksvoll die beiden Versionen von Rock the Widow. Auf der Studio -Seite ist der „Kulthit“ (Info) völlig mit Streichern instrumentiert und trägt den Titel Widow on Strings (hier schwingt übrigens Speedy Sheppard von Poems for Laila den Cellobogen). Auf der anderen live im Forum Enger aufgenommenen Seite ist dasselbe Stück ein schweres, psychedelisches Gedröhne, das am Ende die weihrauchgeschwängerte Dicke eine wahrhaft katholischen Gottesdienstes erreicht - sehr eindrucksvoll und gänsehäutend.

Vor allem auf der Studio-Seite demonstrieren The Perc Meets the Hidden Gentlemen eine enorme Spannbreite. Die LP beginnt mit Bronx Vanilla, einer sanften akustischen Hippie -Ballade, während das nächste Stück, Feed Your Heart to Beat, ein funkiges, kleines Etwas ist, in dessen Mittelpunkt die Computerdrums und der angerapte Gesang stehen. Zum dritten folgt die experimentelle Comics-Suite in vier völlig unterschiedlichen Teilen samt Gewittergeräuschen, Hörspiel-Überleitungen und anderem Schnickschnack. Erinnert mich stark an Neil Youngs Broken Arrow (damals noch bei Buffalo Springfield), womit wir wieder beim eindeutigen Hippie-Background der beiden wären.

The Perc Meets the Hidden Gentlemen versuchen zeitgemäße Hippiemusik zu machen, scheuen sich nicht, die Postmoderne voll auszuschöpfen und moderne Elemente wie Dancefloor einzubauen, sind aber allein durch die vorherrschende sinistre und depressive Grundstimmung und den des öfteren auftauchenden, monotonen Galeerenrhythmus für ein fröhlicheres Gemüt eher ungenießbar. Trotzdem schöne Platte für die richtige Stimmung.

Thomas Winkler