Am Ende bleibt der Abstieg, Punkt aus

■ Liebe arme, bemitleidenswerte, trottelige, ja dämliche Fußballspieler von Hertha BSC,

lustig ist das nicht mehr! Was fällt Euch ein, mich so dermaßen in aller Öffentlichkeit zu blamieren. In besseren Momenten gibt's Hohn und Spott, viel schlimmer aber sind die mitleidsvollen Blicke. Ihr wißt schon, warum; nur wenige Wochen ist es her, da Ihr an dieser Stelle zum heimlichen Meisterschaftsfavoriten erkoren wurdet, und nun dieses, als bisherigen Höhepunkt ein blamables 0:1 - auch noch zu Hause gegen die Düsseldorfer Fortunen.

Nun gut, die Meisterschaft ist flöten, aber mit jetzt 1:9 Punkten wird's so langsam Zeit, mal was gegen den Abstieg zu tun. Ganz abgesehen davon, daß Euch jetzt schon die Zuschauer weglaufen und wieder mal ein ordentlicher monetärer Verlust droht, solltet Ihr auch an das Gesellschaftliche und Politische denken; Berlin als Hauptstadt in der zweiten Liga, ts, ts, ts.

Dabei habt Ihr, um ehrlich zu sein, ein ganz dickes Lob verdient. Wo sonst gibt es in der ganzen eiskalten Fußballprofibranche noch solch sensible Spieler wie Euch? Nein, wirklich, ganz im Ernst und ohne jede Bosheit, es macht Euch sympathisch, daß Ihr nach jeder Niederlage, ob unglücklich oder verdient, ganz offen Eure Gefühle zeigt, verzweifelt und den Tränen nahe seid, ja daß es Euch sogar während des Spieles bei jeder Bewegung und jedem Tritt gegen den Ball anzusehen ist, wie sehr Euch das kritische Hinterfragen des eigenen Selbstwertes auf die Nerven drückt.

Wo andere Fußballmannschaften in ähnlicher Situation in martialisches Geschrei ausbrechen, „Jetzt erst recht“ gebrüllt wird oder „Kämpfen, bis der Arzt kommt“ usw., herrscht bei Euch eine angenehme, stille Ratlosigkeit. Doch wie der verwirrten Seele Qual beenden und sie durch eingekehrte Ruhe und Ausgeglichenheit wieder erstarken lassen?

Ganz einfach. Ihr müßt offensiv an die Sache herantreten und die ganze Geschichte grundsätzlich erst mal positiv sehen. Ihr seid gerade dabei, wichtige Erfahrungen für Euer weiteres Fußballerleben zu machen - aber wenn Euch schließlich die Erkenntnis gepackt hat, dann werdet Ihr schon sehen. Vielleicht solltet Ihr in der Winterpause gemeinsam einen Töpferkursus in der Toskana besuchen, anschließend in Berlin eine Schreitherapie machen und es schließlich, solchermaßen entspannt und gereift, mal wieder mit Fußballtraining versuchen. Wär schon unheimlich wichtig, irgendwie.

Denn schließlich beherrscht Ihr das Gekicke doch ganz ordentlich, wenn Ihr's denn nur wollt, und wer will, der kann auch. Tja, aber die Realität ist bitter, will sagen, das Volk schreit gesamtdeutsch nach der reinen Leistungsgesellschaft, und da schneidet Ihr ziemlich schlecht ab, genauer gesagt, Ihr seid die Letzten!

Schließlich besteht Eure Arbeit doch nur darin, ein angenehmes und pflegeleichtes Freizeitvergnügen zu produzieren, was aber in bisher drei Heimspielen nur ein halbes lang der Fall war. Soll heißen, Ihr quält vertrauensselige Menschen, die sich ein wenig entspannen möchten.

Nun gibt es verschiedene Möglichkeiten, diese verzwickte Situation zu beenden. Eine etwa: bis zum bitteren Ende durchhalten, den Tasmania-Rekord brechen, alle drei Wochen neue Spieler kaufen und hochverschuldet ab in die Amateurklasse.

Aber in Wirklichkeit wird es typisch berlinisch. Es wird ein heilloses Durcheinander, vielleicht ein paar Intrigen im Vorstand, viel Panik, Machtkämpfe, nächsten Sonntag eine Trainerentlassung und viel Geld geben, aber am Ende bleibt der Abstieg, Punkt aus. Das bedauert wirklich

Euer Schmiernick