Pfalz: Der Truppenabbau schafft Probleme

Nach den Amis die Franzosen: Der angekündigte Abzug französischer Soldaten hat die Landespolitiker verschreckt/ Tausende von Arbeitsplätzen betroffen/ CDU/FDP-Regierung läßt schlüssiges Konzept für die Übergangszeit vermissen  ■ Von Thomas Krumenacker

Trier (taz) — Nur Ortsunkundige erschreckt die nächtliche Szene in der Trierer Fußgängerzone noch: Eine olivgrüne Wanne mit gelbem Scheinwerferlicht schleicht im Schrittempo an den wenigen Passanten vorbei. Vor einer Disko entspringen weißbehelmte Soldaten der Streife und zerren — gelegentlich mit ihren Schlagstöcken prügelnd — pöbelnde junge Männer in ihr Gefährt: Die Sitten der französischen Militärpolizei beim Abfischen zu spät kommender Soldaten sind rauh. Trier ist der größte Garnisonsstandort außerhalb Frankreichs. Die nächtlichen Patrouillen werden die EinwohnerInnen wohl noch am wenigsten vermissen, wenn sich jetzt nach den Amerikanern auch die westlichen Nachbarn daran machen, ihre Koffer zu packen

Durch die Pläne der Amis, das Land zu verlassen und damit Arbeitsplätze abzubauen, ohnehin aufgeschreckt, zittern Landes- und Kommunalpolitiker in Rheinland-Pfalz jetzt dem 17. September entgegen. Da will Kanzler Helmut Kohl mit dem französischen Staatspräsidenten Francois Mitterand bei einem Gipfeltreffen in Bonn über den Truppenabzug verhandeln. Daß die Franzosen Standorte in Rheinland-Pfalz in weitaus radikalerem Maße aufgeben wollen, als bislang bekannt, ist nach Informationen der taz bereits „beschlossene Sache“. Im von der Stationierung am stärksten betroffenen Bundesland gibt es mehr als 13.000 französische Soldaten. An der Truppenpräsenz hängen direkt über Zivilangestellte und indirekt über Zulieferaufträge tausende von Arbeitsplätzen.

Allein die Moselstadt Trier, die als größter Garnisonsstandort direkt nach Paris gilt, beherbergt trotz erheblicher Reduzierungen in den letzten Jahren immer noch rund 4.500 französische Soldaten. Hinzu kommmen knapp 600 deutsche Zivilbeschäftigte sowie rund 2.500 Famillienangehörige. Das französische Militär belegt rund 560 Hektar Land in Deutschlands ältester Stadt — knapp 20 Prozent der gesamten innerstädtischen Siedlungsflächen. Im gesamten Regierungsbezirk machen 8.500 Soldaten, 4.000 Familienangehörige und weit über 700 Zivilangestellte die fanzösische Armee zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor.

Anders als in den völlig vom Militär abhängigen US-Stationierungsorten in Pfalz und Eifel kann der Weggang der Franzosen Trier durchaus Chancen eröffnen. Die Moselstadt ist regionales Zentrum mit gemischter wirtschaftlicher Strutkur. In der riesigen Fläche, die frei wird, sehen Städteplaner „eine nie dagewesene Chance“ zur Stadtentwicklung. Die Grünen wollen aus Kasernen Studentenwohnheime machen und dort, wo heute Panzer und Jeeps stehen, könnte die beengte Uni neuen Platz für ihre Fakultäten finden. Der CDU/FDP-Landesregierung fällt indes nicht viel mehr ein, als weiter auf die militärische Struktur zu setzen: Eine gemeinsame deutsch-französische Brigade solle doch bitteschön im Land stationiert werden, so die Forderung. Außerdem setzt Mainz bei den anstehenden Verhandlungen mit Frankreich auf einen nur teilweisen Abzug des Militärs. Dazu hat Ministerpräsident Wagner (CDU) wieder eine — im Zusammenhang mit den Amerikanern „erprobte“ — „Prioritätenliste“ vorgelegt.

Der Gewerkschaft ÖTV reicht das nicht: Landeschef Ullrich Galle wirft der Landesregierung vor, so zu tun, als ginge sie der ganze Abzug nichts an. Er erwägt zudem, gegen die mit militärischen Grundstücken befaßten Bundesvermögensämter Dienstaufsichtsbeschwerde zu erheben, um eine Befassung mit dem Thema zu erreichen. Für Galle ist ein gelungener Übergang in eine Nach-Stationierungszeit — mit einem Ausgleich der verlorenen Arbeitsplätze — aus einem weiteren Grund wichtig: „Wenn es jetzt nicht gelingt, den Übergang sozialverträglich zu schaffen steht es schlecht um die Akzeptanz gegenüber weiterer Abrüstung“, warnt der Gewerkschafter.

Schließlich erwarten noch die Vogelkundler neue Impulse durch den Weggang der Franzosen: Auf dem gesperrten Truppenübungsplatz oberhalb Triers sichteten sie seltene Wespenbussarde, die dort bei mehr Ruhe wohl zur Brut schreiten würden.