: »Schulz Metalle« soll für Dioxin blechen
■ Umweltverwaltung fordert Bodensanierung für 27 Grundstücke in der Umgebung der stillgelegten Heiligenseer Kabelschmelze/ Erdaustausch ab einem Dioxin-Richtwert von 100 ngr/kg
Heiligensee. Die Bewohner der dioxinverseuchten Grundstücke in der Umgebung der stillgelegten Kabelverschwelungsanlage in Heiligensee können einen wichtigen Erfolg ihres Drucks auf die Behörden verbuchen: Wie gefordert, sollen die durch den jahrzehntelangen Anlagenbetrieb auch mit giftigen Schwermetallen kontaminierten Grundstücksböden abgetragen werden, sofern die Dioxinbelastung 100 Nanogramm pro Kilo Erde übersteigt. So steht es in einer Sanierungsanordnung, die die Senatsumweltverwaltung spätestens heute dem Betreiber, der Firma »Schulz Metalle«, zustellen will. Wenn die Firma sich nach einer vierwöchigen Frist zur Stellungnahme nicht freiwillig zur Sanierung bereit erkläre, müsse sie mit einer entsprechenden behördlichen Anweisung rechnen, heißt es in einer Verwaltungsmitteilung.
Laut Umweltverwaltung wird im einzelnen angeordnet, daß der mit mehr als 100 Nanogramm Dioxin belastete Boden von Privatgrundstücken bis in eine Tiefe von 40 Zentimetern auszutauschen ist — auf einem Campingplatz sogar bis 60 Zentimeter. Entsprechendes schlug in einem Gutachten die Berliner »Ingenieursgemeinschaft Technischer Umweltschutz« (ITU) vor.
Befestigte Bereiche wie zum Beispiel Asphaltzufahrten seien mit geeignetem Gerät abzusaugen. Das ausgehobene Erdreich müsse unter Verwendung staubarmer Technologien »unverzüglich« in verschlossene Container gefüllt und ordnungsgemäß entsorgt werden. Anschließend solle der Betreiber der Dioxinschleuder die Baugruben wieder mit unbelastetem Boden auffüllen. Verlangt wird ferner, daß dieser die zerstörten Kleingärten wieder herrichten läßt oder aber die Grundstückseigner finanziell entschädigt. Der Verwaltung Senatorin Schreyers zufolge sind von den Maßnahmen insgesamt 27 Anliegergrundstücke betroffen, davon 24 der 56 Parzellen der sogenannten »Anglersiedlung«.
Nach Verstreichen der Vier-Wochen-Frist sei erst einmal abzuwarten, ob die Firma Schulz gegen die Anordnung vor dem Verwaltungsgericht klagt oder wohlweislich »Pleite macht«, erläuterte gestern der zuständige Referent im Hause Schreyers, Thomas Schwilling. Beides erscheint nicht ausgeschlossen. Früher bereits ließ der Schrottverwertungsbetrieb erkennen, daß er die noch nicht bezifferten Sanierungskosten unmöglich selbst bezahlen könne. Das Gericht hätte in erster Linie zu prüfen, ob der niedrige Sanierungsrichtwert von 100 Nanogramm rechtlich zulässig ist. Bislang gab es nämlich eine Empfehlung des Bundesgesundheitsamtes, nachdem dioxinhaltige Böden erst ab einer Belastung von 1.000 Nanogramm pro Kilo auszutauschen sind. Es droht also ein jahrelanger Rechtsstreit.
Das vermutet auch die besorgte Sprecherin der Heiligenseer Anwohnerintitaive »Sevesogift«, Paula Diederichs: »Die Firma Schulz Metalle wird wahrscheinlich erst mal in Widerspruch gehen, das ist unsere Befürchtung. Egal wie sie da reagiert, muß aber trotzdem sofort vom Senat saniert werden.« Der Betrieb könnte unter Umständen auch das Argument vorbringen, der Verursacher der Dioxin-»Altlast« sitze im entfernten Hennigsdorf: »So einen Brief haben wir ja schon.« Thomas Knauf
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