Vom Transmissionsriemen zum Antriebsmotor

In Frankreich löst Henri Krasucki, Vorsitzender der CGT, seine Gewerkschaft aus der Abhängigkeit von der kommunistischen Partei/ Mehr als die Hälfte der Mitglieder hat die CGT in zehn Jahren verlassen  ■ Aus Paris A.Smoltczyk

Henri Krasucki ist kein Mann, den man mag. Wenn er sauertöpfisch wieder einmal aufs neue die unternehmerfreundliche Wirtschaftspolitik der Sozialisten entlarvt, wirkt der kahlköpfige Generalsekretär der CGT mit seiner spitzen Nase wie die Inkarnation aller Bitternis dieser Erde. Irgendwie paßt er nicht in die mediale Seichtigkeit der Neunziger, scheint eher ein Relikt aus den großen Tagen der französischen Arbeiterbewegung, als in der „roten Festung Billancourt“, dem jetzt zum Abriß anstehenden Pariser Renault-Werk, mehr Politik gemacht wurde als in der Deputiertenkammer. Eigentlich paßte er nie in die Landschaft, schon unter der deutschen Besatzung nicht, als sich der Sohn polnischer Einwanderer der legendären armenisch-jüdischen Widerstandsgruppe „Manouchian“ anschloß, die von der nationalen KP-Geschichtsschreibung lange mit Schweigen übergangen wurde.

Aber in der CGT, einer der wenigen großen nicht-reformistischen Gewerkschaften Europas, steht „Krasu“ für eine vorsichtige Normalisierung. Obwohl er dem Politbüro der PCF angehört, arbeitet Krasucki gegen heftigen internen Widerstand an einer stärkeren Eigenständigkeit der Gewerkschaft von der Partei — seine „Kulturrevolution“, wie er auf dem letzten Kongreß verkündete. Seither versucht PCF-Chef Georges Marchais, ihn auf einen Posten im internationalen Gewerkschaftsverband wegzuloben.

Die CGT hat zwar durch den überaus populären Arbeitskampf bei Peugeot im letzten Herbst wieder an Sympathien gewonnen, steckt jedoch nach wie vor in der Strukturkrise. In den letzten zehn Jahren verlor sie nach eigenen Angaben 1,3 Millionen Mitglieder, das heißt mehr als die Hälfte. Immer mehr Unterorganisationen der CGT verlangen einen Kurswechsel: „In Osteuropa ist das Modell der Abhängigkeit einer Gewerkschaft von einer Partei klinisch tot. Weshalb sollte es in Frankreich noch am Leben bleiben?“, fragte die Sektion „CGT- Korrektoren“ im Mai. Die Gefahr, daß sich durch eine stärkere Autonomie gegenüber der PCF der Einfluß der Sozialistischen Partei erhöhen könnte, ist nicht übermäßig groß: der letzte Parteikongreß der PS in Rennes hat deutlich genug demonstriert, in welchem Maße diese Partei immer noch eine reine Präsidenten-Wahlvereinigung ist.

Seit die reformistische „Force Ouvrière“ — die zweite große Gewerkschaft des Landes — mit ihrem neuen Vorsitzenden Blondel in den letzten Streiks des öffentlichen Dienstes offensivere Töne angeschlagen hat (die dritte Großorganisation, die sozialistennahe CFDT, hat sich bereits in den 80ern von den politischen Parteien zurückzuziehen begonnen), stehen die Chancen für eine Annäherung der drei mitgliederstärksten Arbeiterverbände Frankreichs besser denn je. Krasucki erklärt sich denn auch bei jeder Gelegenheit „entschieden für die Gewerkschaftseinheit“, und zwar nicht nur in punktuellen Arbeitskämpfen. Der PCF käme dann eine Rolle zu, die sie in den letzten Monaten angesichts horrender Wahlergebnisse und dem Breakdown in Osteuropa schon geprobt hat: die eines Treibriemens zwischen Gewerkschaft und politischem System.