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Neue Aspekte

■ Betr.: u.a. „SPD für Duldung integrierter Roma“

Bei dem heftigen Meinungsstreit darum, ob Roma im Lande Bremen ein Bleiberecht erhalten oder abgeschoben werden sollen, finden zwei wichtige Aspekte nicht genügend Beachtung.

1. Die ethnischen Minderheiten, die über ganz Europa verstreut sind und die bis vor kurzem in Deutschland als „Zigeuner“ bezeichnet wurden, sind in Wirklichkeit keine einheitliche Gruppe. Es ist vielmehr zwischen Sinti und Roma zu unterscheiden.

Sinti leben seit jeher — seit Jahrhunderten — in Westeuropa, einschließlich Deutschland. Im Lande Bremen leben schätzungsweise 1.000 von ihnen, die deutsch sprechen und die deutsche Staatsangehörigkeit haben. Sie haben die gleichen politischen und staatsbürgerlichen Rechte wie alle übrigen BremerInnen. Ernsthaft wird ihnen niemand das Recht streitig machen, hier zu wohnen. Es wäre bedauerlich, wenn in der Öffentlichkeit das Mißverständnis erweckt würde,daß die Diskussion um die Roma auch sie beträfe. Die gegenwärtig geführte Diskussion kann vielmehr nur die in den letzten Jahren aus Polen, Rumänien, Ungarn und Jugoslawien gekommenen Roma betreffen.

2. Der notwendige Streit über ein Bleiberecht von Roma in Bremen scheint uns daran zu kranken, daß keine der streitenden Parteien einen blassen Schimmer von den Menschen hat, über die sie hier redet. Auch wir haben keine Patentrezepte anzubieten, halten es aber für unverzichtbar, vor einer Entscheidung folgende Fragen zu prüfen: Welche Vorstellungen haben die Roma selbst von unserer Gesellschaft, und was erwarten sie von ihr?

-Wollen sie überhaupt auf Dauer in Bremen bleiben?

-Welche Vorstellungen haben sie, wie sie hier wohnen, wie sie ihren Lebensunterhalt auf Dauer ohne Sozialhilfe bestreiten wollen?

-Welche Vorstellungen für ein Zusammenleben mit ihren künftigen Nachbarn?

Erst wenn man Antworten auf diese und weitere Fragen hat, und dies herauszufinden ist keine Frage eines singulären wohlmeinenden Interviews von PolitikerInnen oder SozialarbeiterInnen, kann man darüber befinden, ob es sowohl für Roma wie für uns eine sinnvolle Entscheidung wäre, hierzubleiben.

Elke Steinhöfel, Wolfgang Linder

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