: Keine Antwort auf Zukunftsfragen
■ Ostberliner Jugendämter unzureichend ausgestattet
Berlin. Die Jugendarbeit und Jugendhilfe sind im Zuge der Vereinigung Berlins dem Bankrott preisgegeben. Dies fürchten die TeilnehmerInnen der 1. Gesamtberliner Jugendhilfekonferenz, die von Mittwoch bis Freitag an der Freien Universität stattfand. Wie Gerd Harms, Staatssekretär für Jugend und Familie, gestern im Anschluß erklärte, hätten sich besonders VertreterInnen der verschiedensten Träger, Gewerkschaften und Jugendorganisationen für schnelle und breite Maßnahmen insbesondere in Ost-Berlin ausgesprochen, wo auf die »Identitätskrise der Jugend« reagiert werden müsse: Angesichts wachsender sozialer Unsicherheit — über 6.000 Jugendliche unter 25 waren im August in Ost-Berlin arbeitslos — sollten vor allem alternative Ausbildungs- und Beschäftigungsprojekte eine Chance erhalten. Wie die Pankower Stadtbezirksrätin für Jugend und Sport, Fussan, schilderte, litten die Jugendlichen vor allem darunter, daß sie »keine Antworten auf Fragen nach ihrer Zukunft« erhielten und sie weder der Schule noch anderen Institutionen »ein rechtes Vertrauen« entgegenbringen könnten. Nach der Ablösung des alten Systems neue Perspektiven zu finden, löse erhebliche Krisen aus. In ihrem Bezirk hätten sich deshalb 40 bis 60 Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren zusammengefunden, um gemeinsam zu diskutieren und darüber hinaus in Eigeninitiative ein Haus zu sanieren.
Projekte, die im Ostteil der Stadt bislang selten sind, für die aber auch die entsprechenden Gelder fehlen. Nach Berechnungen der Westberliner Senatsverwaltung würden für die Versorgung und Förderung der rund eine Million Jugendlichen in der ganzen Stadt jährlich etwa 2,5 Milliarden DM gebraucht — doch »weder die personellen noch die finanziellen Ressourcen« seien dafür gesichert. Für den Aufbau der stadtbezirklichen Jugendämter in Ost-Berlin, die spätestens am 3. Oktober ihre Arbeit aufnehmen müssen, seien laut Magistratsbeschluß jeweils lediglich 50 Planstellen bewilligt worden. Zum Vergleich: In Westberliner Jugendämtern sind jeweils 200 bis 400 Personen beschäftigt. Als problematisch bezeichnete Harms zudem, daß der Rechtsanspruch von Jugendlichen auf Jugendhilfe durch das in Ost-Berlin bereits ab Oktober geltende, aber abgeschwächte Kinder- und Jugendhilfegesetz gemindert würde, da es dann im Ermessen der Jugendämter läge, welche Leistungen sie den Jugendlichen zukommen lassen. maz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen