Frauenzeitschrift: Oh 'Brigitte‘ hilf!

Berlin (taz) — Product-placement gehört zum guten Ton in der sozialen Marktwirtschaft. Besonders sozial wird sie, wenn die Gleichstellungsbeauftragte des DDR-Ministerrats zusammen mit „Brigitte“, der meistgelesenen Frauenzeitschrift in der BRD und demnächst sicher auch in Großdeutschland, die Werbetrommel rührt für das „derzeit größte Schulungsprogramm für berufstätige Frauen in der DDR“. In Seminaren und Vorträgen sollen dieses Jahr mindestens 1.500 Frauen auf das Berufsleben „im neuen Wirtschaftssystem“ vorbereitet werden, damit sie auf dem Arbeitsmarkt nicht ins Abseits gedrängt werden, so die Initiatorinnen gestern auf einer Pressekonferenz in Ost-Berlin.

Schöne Utopie angesichts der Tatsache, daß der Anteil der Frauen an den offiziell erfaßten Erwerbslosen in der DDR kontinuierlich steigt und bereits bei 53 Prozent liegt. Hingegen werden nur 36 Prozent der neuen Arbeitsplätze an Frauen vermittelt.

Gleichstellungsbeauftragte Marina Beyer brachte das Projekt schnell auf den Boden der Realität zurück: Es könne nur „ein Tropfen auf dem heißen Stein“ sein und selbstverständlich an den objektiven Ursachen der Krise nicht ändern. „Die Seminare sind keine Arbeitsvermittlung sondern sollen den Frauen Mut machen, sich bei den Bewerbungen nicht an den Rand drängen zu lassen“.

Angeboten werden 20 Wochenendseminare. In den einen sollen Selbstbehauptung, sicheres Auftreten und Rhetorik trainiert werden, in anderen wird in die Computerei eingeführt. „So machen Sie sich selbständig“, erfahren Frauen, die unter die Existenzgründerinnen gehen wollen. Die Kurse finden an verschiedenen Orten der DDR statt. Daneben gibt es in sieben Städten Informationsabende über „Frau und Beruf: Ihre neuen Rechte“. Das Wochenendseminar kostet inklusive Übernachtung und Verpflegung 50.- DM pro Frau, die Teilnehmerinnenzahl ist auf zwölf pro Kurs begrenzt. Anmelden kann sich jede, die Auswahl trifft der „Brigitte-Leserinnendienst“ — ein „bißchen Glück“ gehört dazu. „Brigitte“ rechnet mit einem großen Ansturm.

200.000 DM steckt das modische Frauenmagazin in das gute Werk. Die Ausgaben werden sich rentieren, denn die Werbefaltblätter für die Kurse (mit Anmeldecoupons) sollen demnächst in allen Arbeitsämtern und Gleichstellungsbüros ausliegen. Oben, im Kopf steht groß „Brigitte“ und klein: „in Zusammenarbeit mit der Gleichstellungsbeauftragten (DDR)“. Sie hat für das Programm ebenfalls 200.000 DM aus ihrem Etat zugeschossen. Es war eines ihrer letzten Projekte: Ab dem 3. Oktober sind Marina Beyer und ihre Mitarbeiterinnen im Familienministerium amts- und möglicherweise auch erwerbslos — dank deutscher Einheit. Ulrike Helwerth