Öko-Landbau für die Dritte Welt

Rund um den Erdball wächst das Interesse an ökologischer Landwirtschaft/ Auch Bio-Großbetriebe entstehen/ Bio-Bauern trafen sich zur achten IFOAM-Konferenz in Budapest  ■ Von Yvonne Mabille

„Die große Chance Osteuropas besteht nicht in der Nachahmung kapitalistischer Großlandwirtschaft, sondern darin, nach der Zwangskollektivierung wieder die alte Form des bäuerlichen Nutzungseigentums einzuführen.“ Dafür plädierte Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, westfälischer Bio-Bauer und Europa-Abgeordneter der Grünen, beim weltweiten Treffen des Dachverbands der organischen Landbaubewegung (IFOAM), das vor drei Wochen in Budapest stattfand. Nur eigenverantwortliches bäuerliches Wirtschaften garantiere eine ökologisch und sozial verträgliche Landwirtschaft, sagte er. (Siehe auch Interview auf Seite 13).

Bei dem sechstägigen Treffen hatten sich über 700 Wissenschaftler, Bauern und Vertreter von Entwicklungsorganisationen aus allen Kontinenten zum intensiven Austausch über „soziale und wirtschaftliche Aspekte des organischen Landbaus“ in der ungarischen Hauptstadt versammelt. Erstmals fand eine wissenschaftliche IFOAM-Konferenz mit anschließender Generalversammlung — die achte seit der Gründung 1972 — in einem osteuropäischen Land statt.

Mit wachsendem Interesse am Öko-Landbau in Osteuropa werden jedoch nicht nur kleinbäuerliche Biobetriebe geschaffen, sondern auch Bio-Großbetriebe. Diese Entwicklung wurde in Budapest auf der einen Seite begrüßt. Andererseits war jedoch die Sorge unüberhörbar, daß die kostengünstiger produzierenden Großbetriebe kleine Produzenten vom Markt drängen könnten. Kritiker dieser nicht nur in Osteuropa absehbaren Entwicklung monierten die Reduzierung ökologischen Wirtschaftens auf ein gut verkäufliches Produkt. Umfassendere ökologische Aspekte wie Generationen- und soziale Verträglichkeit würden dabei nicht berücksichtigt.

Das Interesse am Öko-Landbau ist rund um den Erdball gestiegen. Das schlägt sich in der Erhöhung der Zahl der IFOAM-Mitgliedsorganisationen von 80 auf 350 in den vergangenen zwei Jahren nieder. Rund ein Drittel der Mitglieder arbeitet in Entwicklungsländern. Über 100 Vertreter aus der Dritten Welt nahmen an der Konferenz teil. Die Erhaltung eines lebendigen ländlichen Raumes durch die Förderung organischer Landwirtschaft wurde auch von ihnen als dringend notwendig angesehen. „Eine ökologisch intensivierte Landwirtschaft schafft Arbeitsplätze, anstatt Arbeitskräfte zu verdrängen. Sie ist somit ein Mittel im Kampf gegen das wachsende Elend in den Städten der Dritten Welt“, hieß es auf der Tagung. Darüber hinaus ermögliche der ökologische Landbau eine Verdoppelung, wenn nicht gar Verdreifachung der Ernteerträge. Ohnehin könnten die meisten Kleinbauern in der Dritten Welt die teuren Pestizide und Kunstdünger nicht bezahlen.

Daß gerade Kleinbauern maßgeblich zur Nahrungssicherung in ihren Ländern beitragen, belegen zahlreiche wissenschaftliche Studien. „Kleinbauern haben in jedem Fall das Wissen und die Erfahrung, sich und ihre Umgebung ausreichend mit Nahrungsmitteln zu versorgen“, resümierte der scheidende IFOAM- Vizepräsident Bernd Neugebauer aus dem Schwarzwald die Ergebnisse langjähriger Forschungstätigkeit in Mittelamerika. „Sie sind so im weitesten Sinn imstande, einen soliden, dauerhaften ökologischen Landbau zu betreiben.“

Die Förderung von Öko-Landbauinitiativen in den Entwicklungsländern soll auch in Zukunft wesentlicher Bestandteil der IFOAM-Arbeit sein. Die Generalversammlung beschloß, die Mittel aus einer 15prozentigen Erhöhung der Mitgliedsbeiträge für Gruppen und Personen einzusetzen, die in Asien, Afrika und Lateinamerika im ökologischen Landbau aktiv sind. Der Tagungsort für die nächste Konferenz setzt bereits ein Zeichen: Sie soll 1992 in Brasilien stattfinden.