Lobby-Briefkampagne aus Bagdad

■ Iraks Industrieminister bittet deutsche Unternehmer um Einflußnahme auf Bonn, um das Embargo gegen sein Land zu beenden/ Iraks Botschafter in Wien klagt: Laßt uns weiter mit Uran werkeln

Baden-Baden (taz) — Schreib doch mal wieder — nach diesem Motto umcirct die unter Embargodruck geratene Regierung des Iraks deutsche Unternehmer und bittet um deren Lobby-Dienste in Bonn. Wie der Südwestfunk (SWF) Baden-Baden in seiner gestrigen Landesumschau berichtete, lief am Mittwoch in aller Hergottsfrühe, um 5.40 Uhr, bei mehreren Firmen, die bislang in Geschäftsbeziehung mit Irak standen, ein Fernschreiben aus Bagdad ein, dessen Text dem SWF zugespielt wurde.

Iraks Industrieminister Hussein Kamil Hassan höchstpersönlich beehrt sich in dem zwei Seiten langen Telex, „angesichts der allgemeinen Umstände [...] einige grundsätzliche Aspekte der ökonomischen Strategie des Iraks [...] klarzustellen“. Unter Verweis auf den gegenseitigen wirtschaftlichen Nutzen, die „freundschaftlichen Bande zwischen unseren Nationen“ und nicht zuletzt auf Exportraten und Arbeitsplätze in der BRD malt der Minister den Schaden aus, den „US-amerikanische und westliche Interessen“ im Falle einer militärischen Konfrontation zu gewärtigen hätten.

Ein militärischer Sieg über den Irak sei aber nicht drin, da die Völker der Region hinter im stünden. Der Minister äußert die Hoffnung, daß die angeschriebenen Unternehmen die hiesigen Regierungsstellen mit dem Ziel beeinflussen werden, das Embargo gegen den Irak zu beenden.

Wegen des Verdachts auf Verstöße gegen die Exportbestimmungen des Außenwirtschaftsgesetzes im Zusammenhang mit Lieferungen in den Irak, so berichtete der Südwestfunk weiter, ermitteln inzwischen allein in Baden-Württemberg vier Staatsanwaltschaften. Betroffen seien mehrere Firmen im Raum Stuttgart, Heidelberg, Freiburg und Lörrach.

Einen bösen Brief erhielt die Internationale Atomenergie-Agentur (IAEA) in Wien. In einem Schreiben vom 14.9.1990 an IAEA-Chef Hans Blix, daß der taz vorliegt, beklagt sich Iraks Botschafter in Wien bitterlich darüber, daß sein Land als Folge des UNO-Embargos vom IAEA- Programm für nuklear-technische Zusammenarbeit ausgeschlossen wurde. Der Schritt sei „ungerecht und kontraproduktiv“. Angeblich soll der Irak derzeit an einer geheimen Pilotanlage zur Hochanreicherung von Uran werkeln, die das Land zur Herstellung waffentauglichen Spaltmaterials befähigen würde.

Bisher war die Diktatur in Bagdad von den IAEA-Nukleokraten wohlgelitten: Als Mitglied des Gouverneursrates, des höchsten Leitungsgremiums der IAEA, konnte Iraks Vertreter gar direkten Einfluß auf die Politik der UNO-Sonderorganisation nehmen. Thomas Scheuer