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Selbstreflexion bei den Weltbank-KritikerInnen

Zum Jahrestreffen von Weltbank und IWF halten auch die unabhängigen Entwicklungshilfegruppen ihr Alternativ-Forum ab  ■ Aus Washington Rolf Paasch

Fast hat man sich schon an sie gewöhnt. Alljährlich versammeln sich die VertreterInnen unabhängiger Umwelt- und Dritte-Welt-Gruppen, von kirchlichen Organisationen, Bauerngewerkschaften und Frauengruppen aus aller Welt, um am gleichen Ort und zur gleichen Zeit wie die globale Hochfinanz die Weltbank zu schelten. Nach dem spektakulären Auftritt der Weltbank-GegnerInnen vor zwei Jahren in Berlin und nach dem ereignislosen und schlecht vorbereiteten Treffen im letzten Jahr in Washington wollten die non-governmental organizations (NGOs) oder Nichtregierungsorganisationen ihr Forum diesmal anders gestalten.

Um einen größeren Einfluß der TeilnehmerInnen aus der Dritten Welt zu gewährleisten, hatte man diese bereits im Mai zu einem Vorbereitungswochenende in die US-Kapitale eingeladen. An der Tagesordnung war dies abzulesen. „Diesmal“, so Jennifer Smith vom World Wide Fund in den USA, „wird viel mehr über Strategie und konkrete Aktionen in diesen Ländern geredet werden als auf dem letzten, eher aufklärerischen Forum.“

Doch am Anfang des viertägigen Treffens von 175 Abgesandten aus 50 Ländern von Burkina Faso bis Uruaguay, von Dänemark bis Neuguinea, stand die Selbstkritik. Ehe man vollständig dem Ritual repetitiver Weltbank-Verurteilung verfiel, sollte doch erst eine Bestandsaufnahme der eigenen Ansätze für die Weltbank-Kampagne vorgenommen werden.

Nach den 60er Jahren, als die Politik von IWF und Weltbank noch eine Fortsetzung des kalten Krieges mit entwicklungspolitischen Maßnahmen darstellte, und nach den 70er Jahren, als die McNamara- Herrschaft in der Weltbank zu einer qualitativ unkontrollierten Verzehnfachung des Kreditvolumens führte, hatte sich die erste organisierte Kritik der NGOs in den 80er Jahren sowohl gegen einzelne Entwicklungshilfe- Projekte wie auch gegen die grundsätzlichen Politik-Instrumente der Weltbank gewendet. „Die Lehre der letzten Jahre“, so Vandana Shiva vom indischen Research Institute for Natural Resource Policy, „besteht darin, Projekt- und politische Kritik besser zu verbinden“.

Vor allem die ökologischen Kritiker der Weltbank-Maßnahmen hätten damals als „ökonomische Analphabeten“ begonnen und zunächst die bereits existierenden wirtschaftlichen Kritikansätze an den Kreditinstitutionen ignoriert. Zwar hätten die Medien die handfeste und leicht verständliche Verurteilung konkreter Staudammprojekte, die Suche nach den „schlimmsten Fünf“ unter den Weltbank-Projekten anfänglich attraktiv gefunden. Dahinter seien die Fragen nach der grundsätzlichen Legitimation der Weltbank jedoch ebenso zurückgeblieben wie die danach, wer angesichts des Kapitaltransfers in die Industrieländer eigentlich die Weltbankpolitik bezahle. Schließlich belaufen sich die Netto-Überweisungen von Süd nach Nord zwischen 1984 und 1989 auf 168 Milliarden Dollar.

Während sich die NGOs, stolz auf ihre neugewonnene kritische Expertise, am Ende doch auf die Expertenkultur der Weltbank eingelassen hätten, seien die Rufe der Bevölkerung („Nehmt Euer Geld und geht nach Hause“) manchmal überhört worden. Auch die NGOs hätten sich zu oft an der Souveränität der Entwicklungsländer versündigt.

Die Frage nach den Konsequenzen dieser mit erstaunlicher Offenheit aufgenommenen Selbstkritik wird denn wohl im Mittelpunkt des diesjährigen NGO-Forums in Washington stehen. Im Saal des Quäker- Zentrums an der Florida Avenue sind solche vertreten, die schon mangels Alternativen an der Möglichkeit einer Weltbank-Reform festhalten wollen und solche, denen die geringfügigen Veränderungen bei der ökologischen Ausrichtung der Weltbank nicht mehr länger ausreichen.

Dabei gibt es durchaus Erfolge — wie bei einem Regenwaldprojekt an der Elfenbeinküste, das nun zu einem Moratorium ähnlicher Projekte geführt hat und eine Überholung der Programmrichtlinien zur Folge haben wird. Doch am ökologisch wie ökononomisch oft schädlichen Charakter der den Ländern aufgezwungenen Strukturanpassungs- Programme sind nach Ansicht vieler NGOs bisher nur kosmetische Veränderungen vorgenommen worden.

„Ein klares Ziel“, so Jim Barnes von Friends of the Earth in den USA, „in bezug auf die zukünftige Strategie der NGOs gegenüber der Weltbank gibt es derzeit nicht.“ Vielleicht, so fügte er hinzu, werde es ja demnächst nur darum gehen, „der Weltbank eine Diät zu verpassen“. Seine etwas provokativ hingeworfene Formel von „weniger Geld, weniger Schaden“ traf unter einigen NGO-VertreterInnen aus der Dritten Welt durchaus auf Zustimmung.

Als Zielbestimmung für die 90er Jahre wird dies allerdings nicht reichen. Schon gar nicht, wo der geopolitische Trend beim in der nächsten Woche offiziell beginnenden Weltbanktreff in Washington genau in die umgekehrte Richtung gehen wird: Regierungen wie kommerzielle Banken werden der Weltbank und dem IWF immer neue Rollen und Aufgaben im globalen Schuldenmanagment zuweisen — und damit auch neue Macht. In einem solchen Augenblick an der Legitimation der Weltbank zu rütteln, wird noch schwieriger werden als bisher. „Denn eines haben wir bereits gelernt“, so Vananda Shiva in ihrer Eröffnungsansprache des NGO-Meetings: „Die Weltbank ist nicht daran interessiert, was die Leute in der Dritten Welt umbringt. Sie sorgt sich nur um die eigene Macht.“

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