SPD blockiert längeren Zivildienst

■ Bundesrat lehnt Ungleichbehandlung für Kriegsdienstverweigerer ab/ Neue Regelung kann nicht wie vorgesehen am 1.10. in Kraft treten/ Dennoch: 30.9. Dienstschluß für 60.000 Soldaten und Zivis

Berlin (taz) — Zwölf Monate Zivildienst sind genug: Das neue Gesetz zur Wehr- und Zivildienstzeit kann nicht am 1. Oktober in Kraft treten. Die SPD-regierten Bundesländer haben das mit ihrer Mehrheit im Bundesrat gestern verhindert. Der Bundestag hatte ein Gesetz beschlossen, in dem die Wehrpflicht auf zwölf, der Zivildienst hingegen auf 15 Monate festgelegt wird. Sogar das sozialliberale Hamburg, das sich in der letzten Beratung der Länderkammer zu diesem Thema der Stimme enthalten hatte, votierte gegen die Vorlage des Bundestages. Nun muß sich der Vermittlungsausschuß auf seiner Sitzung am kommenden Donnerstag mit dem Wunsch der Sozialdemokraten befassen, auch die Dauer des Zivildienstes auf zwölf Monate zu begrenzen. Das Gesetz endgültig verhindern kann der Bundesrat allerdings nicht.

Bundesfamilienministerin Ursula Lehr (CDU) kündigte vor der Länderkammer an, die Bundesregierung wolle an ihrem Gesetzentwurf festhalten. Die Gleichsetzung von Wehr- und Zivildienst ergebe praktisch ein Wahlrecht zwischen beiden Pflichten, das gegen die Verfassung verstoßen würde. Bremens Justizsenator Volker Kröning (SPD) bestritt dies und erinnerte an den Wortlaut der Verfassung: „Die Dauer des Ersatzdienstes darf die Dauer des Wehrdienstes nicht übersteigen.“ In einem von Bremen initiierten Antrag hatten die SPD-Länder ihre Forderung nach einer Gleichsetzung der Dienstzeit mit den veränderten Rahmenbedingungen der Zeit nach dem Kalten Krieg, der deutschen und europäischen Einigung sowie den Abrüstungsverträgen begründet.

Derzeit ist nicht gewährleistet, daß jeder Wehrplichtige künftig eingezogen werden kann. Denn: Die gesamtdeutsche Armee muß auf eine Stärke von 370.000 Mann (inklusive der 50.000 ehemaligen NVA-Soldaten) geschrumpft werden — bisher waren es allein in der alten BRD knapp 500.000. An dieser Stelle sieht die Bundesratsmehrheit einen weiteren Nachteil für Kriegsdienstverweigerer. Schon heute sind längst nicht alle Zivildienststellen besetzt, Verweigerer müßten ihren Dienst auf alle Fälle ableisten.

Unterstützung bekommt die SPD, die im Bundestagswahlkampf auf eine weitere Verkürzung auf neun Monate drängen will, ausgerechnet von CDU-Ministerpräsident Lothar de Maiziere. Der hatte kürzlich, wie Kröning im Bundesrat genüßlich erwähnte, in einem Brief an die Evangelische Kirche der Provinz Sachsen die „Übernahme von Bestimmungen des Zivildienstes der DDR für die Bundesrepublik“ als begrüßenswert bezeichnet. Die ostdeutsche Gleichstellungsregel habe „Vorbildcharakter“. In der westdeutschen CDU scheint man um die Brisanz des Themas zu wissen: In der gestrigen Bundesratsdebatte meldete sich jedenfalls kein Mitglied einer christdemokratischen Landesregierung zu Wort.

Die rund 60.000 Wehr- und Zivildienstleistenden, deren vorzeitige Entlassung auf Grundlage des umstrittenen Gesetzes zum 30. September geplant war, sollen durch eine Beurlaubungsregelung trotzdem zu diesem Termin nach Hause geschickt werden. Axel Kintzinger