„Die Stadt ist so komplex...“

■ Matin

ee „Lebendige Stadt“ zur ökologischen Stadtentwicklung

Was ist das eigentlich „ökologische Stadtentwicklung“? Diese Frage schwebte bei der gestrigen, neunten Matinee „Lebendige Stadt“ der Shakespeare Company zwei Stunden lang im Musikraum des Theaters am Leibnizplatz. Eine präzise Antwort hatte keine der etwa fünfzig DiskutantInnen bereit, die mit Andrea Köpke und Norbert Kentrup von der Company, sowie Ronald Kirsch und Ninus Tatarin vom Architektenbüro Archidea zusammensaßen.

„Die Stadt ist so komplex, man weiß gar nicht, wo man anfangen soll“, bringt es Tatarin auf den Punkt. „Bisher“, so der Eindruck von Kirsch, „ist 'ökologisches Bauen– nicht mehr als eine Worthülse, die höchstens mal in Form einer Dachbegrünung an das Bewußtsein der Leute dringt.“ Andererseits müßte gerade jetzt, wo in den nächsten zehn Jahren 16.000 neue Wohnungen gebaut werden sollen, eine ganz breite Diskussion über die zukünftige Stadt Bremen beginnen. „Man sollte vielleicht einmal überlegen, ob es nicht ökologisch sinnvoller wäre, anstelle von Neubauten Lücken innerhalb der Stadt auszufüllen“, schlägt der Architekt vor.

„Also, für mich ist ökologische Stadtplanung“, versucht ein Mann mit rotem Pulli, Klaus Kammerer von der Hochschule für Architektur, zu definieren, „wenn ich auch die Wechselwirkung der verschiedenen Elemente beachte. Zum Beispiel muß ich gucken, was da passiert, wenn ich die Randgebiete der Stadt besiedele.“ Die verkehrspolitischen Folgen seien eigentlich vorauszusehen.

Das Problem sei grundsätzlich überhaupt nicht zu lösen, entgegnet eine Frau aus dem Publikum, es werde immer einen Gegensatz zwischen ökonomischen Zwängen, wie Bebauungsplänen, Landes- und Bundesgesetzen und ökologischen Interessen geben. Man müsse so oder so zu unbefriedigenden Kompromissen kommen. Eine andere entgegnet: „Ich habe nicht das Gefühl, daß ich in einer Stadt lebe, die völlig marode und schlecht ist.“

Das alles sei doch nur die schöne Fassade und sage noch gar nichts über die eigentliche Wohnqualität aus, widerspricht Tatarin. „Ich wohne seit 25 Jahren in Bremen und weiß, daß es um unsere Bäume und Luft nicht besser bestellt ist als in anderen Städten.“ Ökologische Stadtplanung sei für ihn allerdings keineswegs, wenn die eine Straße verkehrsberuhigt und dafür andere überlastet würden. Für die meisten höre Ökologie noch immer im Vorgarten auf. „Solche Verkehrsberuhigung ist keine demokratische Entscheidungsform.“

Einen ganz anderen Aspekt warf Detlef Kniemeyer vom Planungsamt in die Dikussion. „Wir alle, die wir hier sitzen, mit unseren hohen Ansprüchen von Selbstverwirklichung, haben das Problem geschaffen.“ Er zeigt auf seine Banknachbarn. „Also du, Johanna, hast doch, so weit ich weiß, 90 Quadratmeter und der Kollege vor mir 130.“ Hier scheine es überhaupt keine Grenzen nach oben zu geben, denn seit 1960 wachse die Wohnfläche pro Einwohner um durchschnittlich einen halben Quadratmeter. Für die Arbeiterviertel liege sie jetzt bei 30, für eher bürgerliche Gegenden bei 50 Quadratmeter.

Ergebnis des Miteinander-ins- Gespräch-kommens: Man will weiter über ökologische Stadtplanung reden. Denn noch gibt es keine Vision von einer anderen Stadt. bz