piwik no script img

STANDBILDWir lassen uns das Singen nicht verbieten

■ 10. Verleihung der Goldenen Stimmgabel, Samstag, ARD 20.15 Uhr

Thomas Dieter Heck trägt eine neue Brille, deren Bügel sich von unten her zur Ohrhalterung schwingen. Seinem öligen Charme tut diese Neuerung jedenfalls keinen Abbruch. Auch bei dieser Sendung bewies er wieder aufs trefflichste seine Qualitäten als Marktschreier des deutschen Schlagers. Für die Laien war es eine willkommene Gelegenheit, fast vergessene Lieder und ihre Interpreten wieder einmal zu hören, während die Experten unter uns die ganze Spannbreite des deutschen Schlagerschaffens der letzten dreißig Jahre begutachten konnten. Beruhigend die immergleiche Aussttatung des Hintergrundes; die blau- gelben Stellwände wurden von orangeblinkenden Lichterketten durchzogen; das Treppchen, von dem die Interpreten wärend ihres Vortrags herabschlendern, wurde von üppigen Sträußen lachsfarbener Rosen gesäumt.

Aber wer hätte gedacht, daß Roy Black noch unter uns weilt, geschweige denn singt? Leibhaftig stand er da, in Abendanzug mit Vatermörder, die Frisur mittels Haarlack gestärkt, das Mikro nervös zitternd in der Hand, klappte er brav den Mund auf und zu, während „California Blue — mein Traum bis du“ im Playback lief. Freudlicher Applaus für diesen erstaunlichen Auftakt. Die Wildecker Herzbuben haben wir an dieser Stelle schon einmal rezensiert, wie auch das Naabtal Duo, was der Beliebtheit dieser bayrischen Waldbewohner nicht geschadet hat. Die Neigung des deutschen Schlagers, sich in die warmen Arme der Volksmusik zu werfen, bereitet vielen Fachleuten Sorge; wir werden die Entwicklung aufmerksam verfolgen müssen. Aus den Augen verloren hatten wir über viele Jahre auch Nena, die nun urplötzlich wieder vor uns stand in punkiger Lederjacke und schwarzem Röckchen. „Komm, wir singen Liebeslieder, Liebe kommt doch immer wieder“ sang sie und wurde mit verhaltenem Applaus belohnt. Umso größer war die Begeisterung über den Berufsjugendlichen Peter Kraus (unser Fred Astaire), der noch einmal seine Schote von 62 „Sweetie, geh nicht an mir vorbei“ zu Gehör brachte.

Ja, und dann zwei Überraschungen: unser „Star von morgen“ Peter Richter. Lange Haare, dünnes Stimmchen, der Bodennebel half da auch nicht viel. Noch mehr erstaunte das Auftreten von Olaf Berger, annonciert als „erfolgreichster Kollege aus der DDR“. Und was ist mit Frank Schöbel und Monika Herz? Sein „Feuervogel“, unter unablässigem Grinsen in die Kameras geschmettert, konnte bei uns jedenfalls nicht landen. Nicole schon eher, die natürlich „Ein bißchen Frieden“, den großen Hit der Friedensbewegung, sang und ihr neues Werk vorstellte: „Hoffnung heißt unser Weg“, das im Aufschrei „Wenn wir wollen, ja, dann wird alles gut“ gipfelte. Stimmt ja auch. Bloß die Verhältnisse, die sind nicht so, und die Sendung war auch noch nicht zuende. Sie zerfaserte zunehmend, dauernd betraten neue Gestalten die Bühne, lachten und sangen, während in uns immer noch Nicoles Worte nachhallten... Olga O'Groschen

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen