Bundesbanker Pöhl murrt über Bonner Ausgaben

IWF/Weltbank-Tagung: Mehr Geld für den Golf/ US-Präsident Bush: Neues Koordinations-Gremium für die Frontstaatenhilfe  ■ Von Dietmar Bartz

Der 'Platow-Brief‘ hat Karl-Otto Pöhl, dem Präsidenten der Bundesbank, offenbar von den Lippen gelesen. Im Gespräch unter vier Augen, so der Informationsdienst in seiner gestern erschienenen Ausgabe, habe Pöhl deutlich sein Mißfallen über die ungezügelte Ausgabenpolitik der Bundesregierung im allgemeinen und von Finanzminister Waigel im besonderen ausgedrückt. Nur offiziell mache er noch gute Miene zum bösen Spiel; falls in Bonn aber nicht endlich konkrete Ausgabenkürzungen und Umschichtungen im Haushalt beschlossen würden, könnten die Zinsen auch noch über die derzeitigen neun Prozent steigen.

Auf der Herbsttagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) bedankte sich Pöhl indes beim amerikanischen Volk und seiner Regierung für die Unterstützung in den letzten 45 Jahren. Gegen die sowohl beim IWF als auch in den USA weitverbreitete Befürchtung, über das Engagement in der DDR und für die Sowjetunion würden die deutschen Hilfen für die Dritte Welt und die Golf-Staaten vernachlässigt, versicherte er: „Unser Bekenntnis zur Entwicklungsaufgabe wird stark bleiben.“

Das wäre nötiger denn je — schließlich hatte Weltbank-Chef Barber Conable zuvor bei der Eröffnung der Tagung in Erinnerung gerufen, daß weltweit mehr als eine Milliarde Menschen mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen müßten. In Lateinamerika sei der Lebensstandard der Bevölkerung unter das Niveau der 70er Jahre zurückgefallen, und das Afrika südlich der Sahara habe eine „regelrechten Kollaps der Lebensverhältnisse, Institutionen und der Infrastruktur“ erlitten. Anlaß zur Hoffnung sei aber, daß durchschnittlich das Lebensalter in den Entwicklungsländern seit 1960 von 51 auf 62 Jahren angestiegen sei und das mittlere pro-Kopf-Einkommen von 590 auf 985 Dollar zugenommen habe.

Verschärft wird die Lage noch durch die Golfkrise, und auch hier geht es gleich wieder um's Geld: Über die bereits zugesagte Finanzierung für die „Frontstaaten“ sollen weitere Gelder für die Türkei, Jordanien und Ägypten lockergemacht werden. Dazu wird, wie US-Präsidnet Bush bekanntgab, ein neues Koordinationsgremium installiert, dem außer den einzelnen Industrieländern auch die EG, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar und natürlich Kuwait angehören werden. Den Vorsitz hat US-Finanzminister Brady; IWF und Weltbank werden ebenfalls beteiligt. Im Gespräch ist eine Gesamtsumme von 14 Milliarden Dollar bis Ende nächsten Jahres.

Wichtiger Adressat ist auch hier wieder die Bundesrepublik. Klimatisch gilt dies umso mehr, als die in Washington auftretenden Frankfurter Banker allen Grund haben, mit ihrer Konjunktur daheim zufrieden zu sein, während ihre US-Kollegen von Ölpreis, Aktienbaisse und der immer mehr nahenden Rezession bedrückt sind.

Passend hat es da die Großbank Chase Manhattan erwischt, die 5.000 Entlassungen angekündigt hat und Milliarden für wertlose Immobilienkredite rückstellen muß. Während Commerzbank-Chef Seipp im Verlauf der traditionellen Dampferfahrt auf dem Potomac ein „zweites deutsches Wirtschaftswunder“ sieht, prüft die Konkurrenz von der Dresdenr Bank bereits, gemeinsam mit dem französischen Geldhaus BNP die Tochter der Chase Manhattan in Spanien zu übernehmen.