Darf eine böse Bank auch Gutes tun wollen?

Der geplante Ökofonds der Weltbank drängt die Kritikergruppen in die Defensive: Umweltfonds okay, aber nicht den Bock zum Gärtner machen  ■ Aus Washington F. Christian

Gleich doppelt ist die Weltbank dieser Tage bemüht, ihren Ruf zu bereinigen, sie finanziere vor allem umweltzerstörerische Projekte in der Dritten Welt. Doch ebenfalls doppelt schießen sich die Ökogruppen aus Industrie und Entwicklungsländern, die das Geschehen auf der Jahrestagung der Bank und des Internationalen Währungsfonds in Washington beobachten, auf die neue Linie des Instituts ein. Letztlich geht es um die Frage: Darf eine böse Bank auch Gutes ankündigen?

Stein des Anstoßes Nummer eins: der neue Fonds der Weltbank: Die „Global Environmental Facility“ (GEF), mit der die Bank reine Umweltprojekte finanzieren will. „Kein grüner Fonds“ — mit dieser Parole verwirrten ausgerechnet Umweltschutzgruppen die wenigen Umstehenden bei einer Demonstration vor dem Weltbankgebäude. Für die kanadische Umweltgruppe „Probe International“ wäre die Einrichtung des Fonds gar gleichzusetzen mit der Bitte an einen Fuchs, er möge doch bitte den Hühnerstall bewachen.

Seit März ist bei den Ländern, die die Weltbank finanzieren, jene „Fazilität“ im Gespräch. Bei der Washingtoner Tagung nun zeichnete sich in den letzten Tagen Konkreteres ab. Mit einer Milliarde Sonderziehungsrechten (ein SZR ist etwa ein Dollar wert) sollen über drei Jahre Projekte in drei Schwerpunktbereichen aufs Gleis gesetzt werden: Linderung des Treibhauseffektes, Maßnahmen gegen die Vergrößerung des Ozonlochs, Schutz der Artenvielfalt und Verbesserung der Qualität des Trinkwassers. Umstritten ist dabei, ob aus dem Fonds Kredite oder nichtrückzahlbare Zuschüsse vergeben werden sollen. Einige Länder wie Japan treten für ein System der „Kofinanzierung“ ein: Das Finanzvolumen würde dadurch erhöht, daß man Kredite aus dem neuen Weltbankfonds mit Krediten anderer Organisationen oder bilateraler Geber verknüpft. Nachteil dieser Variante für die Empfängerländer: Die zusätzlichen „Kofinanziers“ bestimmen, aus welchen Ländern für das Projekt eingekauft wird, die Mittel wären „liefergebunden“. Das Bonner Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) will die Gelder als Zuschüsse vergeben wissen. Für den Fall allerdings, daß nach den günstigen Konditionen der Weltbanktochtergesellschaft IDA ausgeliehen und eine Lieferbindung ausgeschlossen wird, könnte das BMZ auch mit kofinanzierten Krediten leben. Die benötigte Milliarde jedenfalls soll nicht aus dem laufenden Weltbanketat, sondern durch zusätzliche Einzahlungen der Geberländer aufgebracht werden.

Die Umweltschutzgruppen formulieren als Hauptkritikpunkt, daß die Weltbank zunächst ihre allgemeinen Projekte umweltverträglicher gestalten und umweltzerstörerische vollständig aufgeben solle, bevor sie in die Finanzierung von Umweltprojekten einsteige. Außerdem wird ihr die nötige Sorgfalt abgesprochen: „Bei grundsätzlich positiven Aufforstungsprogrammen kann es fatale Folgen haben, wenn die falschen Baumarten eingepflanzt werden“, merkt „Probe International“ an. Im übrigen, so die Befürchtung, könnten die Weltbanker nach der Einrichtung des grünen Fonds nun erst recht mit gutem Gewissen ihrer umweltzerstörerischen Politik nachgehen. Die Hoffnung der Kritiker: Die Steuerzahler aus den Geberländern werden es nicht hinnehmen, wenn ökologisch fatale Vorhaben duch zusätzliche Gelder aus dem „grünen Fonds“ gerechtfertigt würden. Freilich haben sich die Steuerzahler, außer in der USA, bislang nicht einmal um die schlimmsten Projekte gekümmert.

Die in Washington versammelten Ökogruppen wenden sich in ihrer Kritik nicht grundsätzlich gegen einen Fonds zur Unterstützung von Ökoprojekten. Ihrer Ansicht nach sollte der Fonds jedoch von irgendeiner anderen Institution verwaltet werden. Ein Vertreter der philipinischen Heribon-Stiftung forderte, ihn der UN-Umweltorganisation UNEP zu unterstellen.

Vollends erzürnt sind die Umweltgruppen über den neuen Umweltjahresbericht der Weltbank, der jetzt zum ersten Mal vorgestellt wurde, nachdem die Bank vor drei Jahren eine eigene Umweltabteilung eingerichtet hatte. In dem Bericht bilanziert die neue Abteilung ihre Politik der vergangenen Jahre und beteuert, künftig bei der Kreditvergabe stärker als bisher auf ökologische Folgen ihrer Projekte zu achten. Schon heute zeige die — bei allen Projekten obligatorische — Umweltverträglichkeitsprüfung positive Folgen. Dreißig Energieprojekte seien aufgrund dieser Prüfung gestrichen worden.

Die Weltbank macht in ihrem Umweltreport geltend, daß inzwischen fast jedes zweite Projekt umweltpolitisch ausgerichtet sei und elf Vorhaben aussschließlich zum Schutz der Umwelt in Angriff genommen seien. Darüberhinaus geht die Abteilung des Neuseeländers Kenneth Piddington bei den am meisten kritisierten Großvorhaben der Bank — dem indischen Narmada- Staudamm, dem brasilianischen Regionalentwicklungsprojekt Polonoroeste und anderen — ausführlich auf die Argumente der Projektgegner ein und gesteht zum Teil, beispielsweise in der Frage der Umsiedlungen, deren Stichhaltigkeit ein.

Wie in jedem Jahr hatten die Ökogruppen für den Eröffnungstag des offiziellen Kongresses zur Demonstration vor dem Kongreßhotel aufgerufen. In ihrer Zeitung machten sie geltend, daß es die „größte Demonstration“ in der Geschichte der Washingtoner Weltbanktagungen gewesen sei. Tatsache ist jedoch auch, daß für diesen Rekord am Montag rund 80 Demonstranten ausreichten. Die geringe Mobilisierung hatte der Arbeit der Umweltgruppen in der Vergangenheit keinen Abbbruch getan. Die Stärke vor allem der US- Gruppen lag stets in ihrer Lobbyarbeit in die Weltbank hinen. Doch diese Strategie läuft nicht mehr, wie aus Kreisen der US-Organisationen zu hören ist. Frust macht sich breit. Insbesondere die Umweltabteilung der Weltbank, so die allgemeine Einschätzung, lasse die Gruppen leerlaufen.

Die Demonstrationen waren indes nicht die am wenigsten besuchten Veranstaltungen. Die Umweltgruppen verstehen es noch immer nicht, die Anwesenheit von über tausend Journalisten zu nutzen. Die Pressekonferenz wurde kaum besucht. Auf die Veranstaltung wurde nur durch in den Presseraum gelegte, kopierte Zettel hingewiesen. Auf Ort- und Zeitangaben meinte man verzichten zu können.