SPD vereint sich mutlos — macht Lafontaine munter?

■ Nach 43 Jahren wieder eine SPD/ Vereinigungsparteitage in Berlin unter Wahlkampf-Depression

Berlin (taz) — „Das Jahr 1989 war nicht das Jahr der Deutschen, sondern das Jahr der demokratischen Erneuerung“, erklärte der SPD-Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine den Delegierten des letzten DDR-SPD- Parteitages am Mittwoch. Da im Palast der Republik wegen Asbest geschlossen war, tagten die Ost-Delegierten schon im noblen Westberliner Kongreßzentrum ICC. Seinen Vorstoß zur Steuererhöhung, der in der SPD zwiespältig aufgenommenen worden ist, wiederholte Lafontaine gestern nicht.

Keiner der Delegierten ging auch ein auf die deutlichen Differenzen der vergangenen Monate zwischen der DDR-SPD und dem Kandidaten — Lafontaine war gegen die Koalition der DDR-SPD gewesen und gegen die Währungsunion zum 1. Juli.

Obwohl der Ehrenvorsitzende Willy Brandt und der Kanzlerkandidat sich darum bemühten, nach außen Geschlossenheit zu demonstrieren und Optimismus zu verbreiten, kam Stimmung erst bei rhetorischen Wahlkampfschlenkern auf. Wie Schnur habe jeder Anwalt, also auch de Maizière und Gysi, mit „bestimmten Organen“ zusammengearbeitet, orakelte Lafontaine und rief in den Saal, er habe „diese Heuchelei“ satt.

„Hier steht einer vor euch, der erprobt ist, Wahlen zu gewinnen“, schloß Lafontaine seine Rede und die Delegierten klatschten. Die Sprecher der Regierungskoalition reagierten wahlkampfgemäß: Hans-Rolf Goebel (FDP) meinte, als „Mut- und Muntermacher“ sei Lafontaine eine „glatte Fehlbesetzung“. Die Umfragen gäben „keine 25 Prozent für die SPD in der DDR. Das ist der Lafontaine-Effekt.“

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