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An de Maizière kommt die CDU nicht vorbei

■ Der ungeliebte Regierungschef wird heute auf dem CDU-Vereinigungsparteitag zum Stellvertreter Kohls gewählt

Ein wenig, ein klein wenig Unmut wird es auch in der CDU-West geben. Die Delegierten müssen nämlich auf dem heute in Hamburg beginnenden „Vereinigungsparteitag“ einen Mann zu ihrem Vizevorsitzenden wählen, den sie eigentlich nicht ausstehen können: Lothar de Maizière.

Seit Monaten nervt der Ministerpräsident vor allem die CDU-Spitze. Zu eigenmächtig — sprich zu wenig willfährig — finden ihn Parteichef Kohl und seine Mannen. „Nicht gerade glücklich“ sind sogar sogenannte Reformer in der CDU etwa über seine „wenig geschickte Forderung“, es müsse das „C“ (christliche) in der Union wieder eine Rolle spielen.

An dem Regierungschef de Maizière sind die Bonner allerdings nicht vorbeigekommen. Seine Wahl zum einzigen Vertreter Helmut Kohls ist längt abgemachte Sache. Sie gehört zu dem Personalpaket, das die CDU-Ost sich von der CDU- West hat schnüren lassen, bevor sie nun auch formal in dieser aufgeht. Was der Anschluß sonst mit sich bringt, kümmert die bundesdeutschen Unionisten wenig. Ins Präsidium der Partei sollen heute abend zusätzlich drei DDR-VertreterInnen einziehen: die Volkskammerpräsidentin Sabine Bergmann-Pohl, der ehrgeizige Parlamentarische Staatssekretär Günther Krause und Bildungsminister Hans-Joachim Meyer. Der Parteivorstand wird um sechs Ost-Abgesandte erweitert. 250 von 1.000 stimmberechtigten Delegierten haben die Bonner Unions-Christen denen von drüben zugestanden.

In der Ost-CDU dagegen grummelt's — wenn auch verhalten. „Was wir meinen, kümmert niemanden. Entschieden wird doch alles in der Bundesrepublik“, sagt bitter einer, den die DDR- CDU nach Hamburg delegiert hat.

Nicht wenige fühlen sich so vereinnahmt, wie sie es sind. Einigen paßt auch der politische Kurs der West-Partei nicht. Zu wenig christlich, zu wenig sozial, überhaupt zu wenig nachdenklich, so lautet ihre Kritik. Im Bonner Konrad-Adenauer-Haus beunruhigt das niemanden ernsthaft. Man werde die Landesverbände aus der DDR in Hamburg nicht nebeneinander plazieren, ließ schon vor Wochen ein hochrangiger CDU-Funktionär wissen. Seine Begründung: Dies verhindere „parteiübergreifende Initiativen“ der Delegierten aus dem anderen Teil Deutschlands.

Gegen solch imperiales Verhalten wehren sich die VertreterInnen der CDU sicher nicht — jedenfalls nicht heute und morgen in Hamburg. Ausbleiben werden auch programmatische Diskussionen zwischen CDU-West und -Ost wie innerhalb der bundesdeutschen Union. Den Zusammenschluß formal besiegeln und Helmut Kohl mit knapp hundert Prozent zum Parteivorsitzenden küren — dies ist Anlaß des Hamburger Schauspiels. Ferdos Forudastan

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