Angeklagt: Bayerisches Polizeiaufgabengesetz

München (taz) — Seine perverse Premiere hatte das rigide bayerische Polizeiaufgabengesetz im August dieses Jahres. Erstmals wurden friedliche Demonstranten, die anläßlich des Hiroshima-Gedenktages vor dem AKW Gundremmingen eine Mahnwache halten wollten, in Vorbeugehaft, oder, wie es euphemistisch im Gesetzestext heißt, in „Unterbindungsgewahrsam“, genommen. Denn aufgrund des umstrittenen Gesetzes, das die CSU-Mehrheit im bayerischen Landtag im vergangenen Jahr durchgepeitscht hat, können im Freistaat „Verdächtige“ ohne richterlichen Haftbefehl bis zu zwei Wochen hinter Gittern verschwinden. Um in Sicherheitsarrest zu geraten, genügt allein schon, daß die Polizei behauptet, damit eine Ordnungswidrigkeit zu verhindern.

Um die Freiheitsrechte wieder aus dem Polizeigriff zu befreien, hatte sich bereits vor Inkrafttreten des demokratiefeindlichen Gesetzes, das nicht zuletzt als „Lex Wackersdorf“ galt, ein breites Aktionsbündnis von Richtern, Anwaltsverbänden und Parteien zusammengefunden. Jetzt geht der Gerichtsstreit jedoch in eine neue Runde. Gegen die Ablehnung bisheriger Klagen vor dem Bayerischen Gerichtshof hat das Aktionsbündnis nun Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingereicht und zusätzlich den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg angerufen. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde prangern die Anwälte des Aktionsbündnisses nicht nur die Entscheidung des Bayerischen Gerichtshofs an, sondern gleichzeitig auch dessen verfassungswidrige Zusammensetzung. Die Schwarzen in Bayern haben den Gerichtshof nämlich fest in der Hand. Mit 86 Prozent der Richterposten bei inzwischen 55,8 Prozent der Wählerstimmen stimmt jedoch weder die Relation, noch kann von Unabhängigkeit die Rede sein. Aber auch der Grundsatz der Gewaltenteilung wird ad absurdum geführt, da Landtagsabgeordnete als Verfassungsrichter fungieren. lui