Rente für Vollzeitlyriker und Utopie für alle

■ Keine Nachricht nicht vom Schriftstellerverband/ 'Liber‘: die Zeitschrift für passionierte Golfer

Frankfurt (taz) — Die gestrige Pressekonferenz des Verbandes der Schriftsteller zur Buchmesse erbrachte in nur einer dreiviertel Stunde die unverhoffte Einsicht, daß uneingelöste Utopiekonzeptionen und die Künstlersozialversicherung mehr miteinander zu tun haben, als unbefangene LeserInnen je erwarteten. Ja, mehr noch: Die Künstlersozialversicherung ist die uneingelöste Utopie der Schriftstellerverbände in ehemals West und Ost. Trotz des Vorhabens, „die Öffentlichkeit nicht länger mit ihren politischen und sozialen Problemen zu langweilen“ und dem festen Vorsatz, den Verband zu „reliterarisieren“ (denken Sie dieses Wort und sie werden ins Stottern geraten), glich die ganze Angelegenheit einer Erledigungsprozedur, in der die sozialen Belange der Vollzeitlyriker der ehemaligen DDR (auch dieses Wort gibt es) die innigsten Reaktionen auszulösen vermochte. Wichtigste Nachricht mithin: Ladenpreisbindung bald EG-weit, jedenfalls „wahrscheinlich“: Also nicht einmal eine Nachricht.

Schließen wir also mit einer positiven Meldung: 'Liber‘ gibt es noch. Überraschenderweise geht diese europäische Kulturzeitschrift in ihren zweiten Jahrgang mit einer stolzen dritten Nummer. 'Liber‘ ist bekanntlich angetreten, das Problem von 'Lettre international‘ zu lösen: Seit deren Erscheinen beklagen sich Freunde wie Feinde, es wäre „einfach zu viel Text“. Die deutsche Nummer Zehn von 'Lettre‘ zeigt, daß die Redaktion nichts hinzugelernt hat: Noch immer muß man vier bis fünf Golfpartien lassen, um sich zu den 'Lettre‘-Lesern zählen zu können. 'Liber‘ kommt seinen Freunden mehr entgegen. Auf gerade mal 16 Seiten ist angeordnet, was der europäische Intellektuelle so wissen muß.

Für den passionierten Golfer besonders entgegegenkommend gestaltet sind die beiden letzten Seiten — im „europäischen Buchladen“ werden in erfrischender Bündigkeit Neuerscheinungen vorgestellt. So erfahren wir: „Heide Dahles: Mannen in het groen — de vereld ven de Jacht in Nederland. SUN, Nijmegen 1990. 334 Seiten, FL 39,50: Eine sehr subtile Ethnographie der Jagd. JJ“. Diese subtile Form der Kritik machte Schule bei HL: „Geremy Boissevain und Jojada Verrips: Dutch dilemmas — Antropologists look at the Netherlands. Van Gorcum, Assen, 1998, 186 S., FL. 39,50: Elf Untersuchungen ethnologischer Fragen zu spezifisch holländischen Problemen.“

Dausend!, um mit Thomas Mann zu sprechen. Da zeigt sich, was die Sprache hergibt, wenn man sich kurz zu fassen vermag. Vielleicht ist das 'Times Literary Supplemant‘ aus der illustren 'Liber‘-Redaktion ('Le Mond‘, 'L'indice‘, 'El Pais‘ und 'FAZ‘) ausgestiegen, weil seine Autoren eine allzu pedantische Berufsauffassung haben? Elke Schmitter