“Ich würde keine Frau antatschen“

■ 39jähriger angeklagt wegen Vergewaltigung einer Philippinin

Ein Mann: schmächtig, unscheinbar, ganz anders als das Abziehbild eines LKW-Fahrers, was er aber ist. Eine Frau: gebildet, sprachgewandt, attraktiv, ihm in jeder Beziehung überlegen und von ihm vergewaltigt worden. So lautet jedenfalls die Anklage gegen den 39jährigen Jürgen M., die gestern vor dem Amtsgericht verhandelt wurde.

Jürgen M. hatte seit Beginn der Bekanntschaft mit Lenie S. und ihrem Ehemann immer wieder beteuert: „Ich bin anständig, ich würde keine Frau antatschen und wenn sie nackt neben mir läge“. Als Lenie S. am Abend des 24. Juli mit ihm allein in seiner Wohnung war, forderte er sie zum Vertrauensbeweis auf: Sie solle sich nackt neben ihn legen, andernfalls habe sie kein Vertrauen zu ihm und sei eine Lügnerin. Als sie, wenn auch „mit komischen Gefühlen“, seiner Aufforderung nachkam, vergewaltigte er sie erst anal, dann vaginal, beschreibt sie konzentriert, beherrscht, durch die Verwendung medizinischer Fachausdrücke fast nüchtern.

„Schwer nachvollziehbar“ fand Jürgen M.'s Anwalt dieses Verhalten. Sie habe bei dem Angeklagten, der sich weder zum Vorwurf der Vergewaltigung, noch über sein Verhältnis zu Frauen äußern wollte, bestimmte Erwartungen geweckt. Aber da seien wohl „zwei Kulturkreise aufeinandergeprallt“.

Lenie S. ist Philippinin. Sie kam 1984 durch eine Art brieflicher Eheanbahnung nach Deutschland. In ihrer Familie, katholisch, 13 Kinder, Vater Polizist, wurde sie streng erzogen. Wer jünger ist, weiblich und dunkelhäutig, hat sich denen unterzuordnen, die älter, männlich, hellhäutig sind, resümierte ihre Anwältin. Jürgen M. ist zehn Jahre älter als sie, hat hellere Haut, ist ein Mann. Einer, der sich das durch angebliche Taek-Won-Do- Kenntnisse, vorgetäuschten Reichtum und Kontakt zu asiatischen Frauen ständig selbst beweisen muß.

Sechs Wochen vergingen zwischen der Tat und der Anzeige. Wie Lenie S. diese Zeit erlebt hat, wurde erst durch Nachfragen deutlich. Ihrer real empfundenen Ohnmacht — allein ohne Familie in einem fremden Land, die Warnung von M., nichts zu sagen, weil sonst ihre „Existenz auf dem Spiel“ stehe, eine weitgehend sprachlose Beziehung — stellte sie Rachepläne und Amokphantasien entgegen. Sie wollte M. umbringen, dann sich selbst und die Kinder. Sie verläßt das Haus nur noch mit einem Messer oder einer Schere in der Tasche, fängt an, ihre Kinder zu schlagen. Erst durch die Intervention philippinischer Freundinnen schreit sie alles raus, konfrontiert M. mit ihrem Mann, der schließlich die Polizei alarmiert. Anwalt und Richter können M. nur mühsam im Zaum halten. Die Verhandlung wird am 15.10. fortgesetzt.

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