: Wie wickelt man Kultur ab?
■ AL verriet Beschlußvorlage zur geplanten Übernahme von Kulturarbeitern in Ost-Berlin/ Betroffen sind 13.291 Angestellte renommierter Kultureinrichtungen, die um ihre Existenz bangen/ Entlassung aus kommunaler Trägerschaft vorgesehen
Berlin. Die Ostberliner Kulturarbeiter haben eine neue Lobby. AL-Sprecher Benedikt Hopmann präsentierte am Freitag der Presse ein 14-Seiten- Papier, das die beiden Innenverwaltungen der Stadtregierung am 2. Oktober zur Beschlußfassung vorgelegt haben. Die Senatsvorlage Nr.1499/90, im Magistrat unter Nr.214/90 registriert, enthält das ausführliche Szenario zur »Überführung oder Abwicklung der den Magistratsverwaltungen nachgeordneten Einrichtungen und Teileinrichtungen«.
Betroffen sind 13.291 Beschäftigte städtischer Einrichtungen aus allen Bereichen, von denen 8.027 Mitarbeiter übernommem und 5.264 Stellen »abgewickelt« werden. Diese rekrutieren sich vor allem aus jenen Magistratseinrichtungen, für die das Beschlußpapier der Innenverwaltungen keine Empfehlungen ausspricht oder eine Überführung in freie Trägerschaft nach westlichem Vorbild vorsieht.
Nach der Vorlage drohen 15 renommierten Kultureinrichtungen, darunter dem Metropol-Theater, dem Haus der Jungen Talente, dem Kulturpark und dem Puppentheater Berlin, die Entlassung aus der kommunalen Trägerschaft. Bis zum 19. Oktober wollen Magistrat und Senat eine »detaillierte Abwicklungsplanung« vorstellen. Bei den Betroffenen stießen die Pläne gestern jedoch auf Ablehnung.
Der Direktor der Archenhold- Sternwarte, Prof. Herrmann, äußerte sich »erstaunt«. Die Sternwarte sei seit 1937 eine städtische Einrichtung, diese Eigentumsform sei also keine »DDR-Erfindung«. »Sollte die Vorlage von Magistrat und Senat beschlossen werden, droht dem Puppentheater das Aus«, so seine Dramaturgin Christine Boyde, die sich an die »Aktion Besen« erinnert fühlte. Tierpark-Personalratschef Zierbarth informierte, daß die Löhne für die 460 Mitarbeiter nur noch bis November gezahlt werden können, sollten die öffentlichen Zuschüsse ausbleiben.
Die AL forderte in einer Presseerklärung den Magi-Senat auf, die im Auftrag der Ostberliner Kulturstadträtin Rusta erarbeiteten Konzeptionen der Belegschaften zu berücksichtigen und nicht einfach zu einem »kulturellen Kahlschlag« auszuholen, der dann nur »alle Befürchtungen einer Politik des Ausverkaufs und der Zerstörung gewachsener Identität« bestätigte.
Der West-Pressesprecher im Hause Rusta, Herr Dahlheim, sieht in der Empörung vor allem ein »semantisches Problem«. Denn »das Wort ‘abwickeln‚ heißt nicht Auflösung und Entlassung, sondern in aller Regel Neustrukturierung und Überführung in eine neue Rechtsträgerschaft«. Einrichtungen, die bislang städtisch waren, können als »landeseigene GmbH weitergeführt« und finanziert werden. Im übrigen wäre die von der Al vorgelegte Beschlußfassung erst einmal nur ein erster Diskussionsentwurf, der bei der letzten Senatssitzung nach fünfzehnminütiger Diskussion den betroffenen Magistrats- und Senatsverwaltungen zur weiteren Prüfung übergeben wurde.
Ost-Berlins Innenstadtrat Krüger dagegen erklärte, daß das Papier von ihm nicht unterzeichnet und auf der Sitzung am 2. Oktober auch nicht diskutiert wurde, sondern den entsprechenden Verwaltungen zur Prüfung und Beratung mit den Betroffenen übergeben wurde. Die Zahl der Entlassungen so Krüger werde »keine vierstellige« sein. Anspielungen auf die Aktion Besen wies er allerdings als »Stimmungsmache« zurück. André Meier
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