■ NOCH 3374 TAGE BIS ZUM JAHR 2000
: Obszönitäten vor Gericht

Ein Schallplattenhändler ist letzten Mittwoch in Florida von einem Geschworenengericht der Obszönität für schuldig befunden worden, weil er seinen Beruf ausübte. Der Mann war festgenommen worden, nachdem zwei Polizeibeamte in Zivil ihn nach einer Schallplatte der Gruppe „2 Live Crew“ gefragt hatten und er sie anbot. Die Scheibe mit dem Titel „As vicious as possible“ (so lasterhaft wie möglich) ist in einigen Landkreisen Floridas verboten, weil sie nach Ansicht des zuständigen Richters zum Laster auffordert. Eine Sprecherin der amerikanischen Plattenindustrie bezeichnete die Entscheidung als „Zensur“, und ein Mitarbeiter der Bewegung für die persönlichen Freiheiten ALCU verglich die Entscheidung mit der Politik totalitärer Staaten. Der Plattenhändler muß nun mit einer Strafe von einem Jahr Gefängnis oder 1.000 Dollar Bußgeld rechnen. Drei Mitglieder der „2 Live Crew“ müssen sich nächsten Dienstag ebenfalls wegen Obszönität vor Gericht verantworten.

Obszöne Strafverfolgung auch in Cincinnati im Bundesstaat Ohio: Dort läuft derzeit ein Prozeß gegen eine Galerie, die Fotografien des schwulen Künstlers Robert Mapplethrope ausstellte. Die Galerie hatte insgesamt 175 Aktfotos des 1989 an Aids gestorbenen Künstlers gezeigt, von denen sieben als obszön eingestuft werden. Während nach Ansicht eines Bürgerkomitees der Prozeß gegen die Galerie dringend notwendig war, um die moralischen Werte der Stadt zu verteidigen, sehen Amerikas Künstler einen weiteren Beweis für den neuen Moralismustrend in den USA. Mapplethorpes Fotos hatten allein in Cincinatti innerhalb von zwei Monaten mehr als 80.000 BesucherInnen angezogen. Im vergangenen Jahr mußte die Wanderausstellung in Washington aufgrund von Protesten abgesagt werden; zur Zeit ist sie in Boston zu sehen. Dem Leiter der Galerie von Cincinnati drohen im Fall seiner Verurteilung sechs Monate Haft sowie eine Geldstrafe.

Mit Obszönitäten hat die katholische Kirche natürlich nichts am Hut. Selbst mit den einfachsten Paarungsgewohnheiten haben die Priester Schwierigkeiten. In Neufundland z.B. kam es zu einer Reihe seltsamer Sexskandale, in die Priester und Ministranten verwickelt waren. Damit soll jetzt Schluß sein. Auf der Bischofssynode in Rom forderte der kanadische Bischof Frederick Henry einen Sexualkundeunterricht für alle Geistlichen, damit diese „zu einem gesunden Lebensstil, möglichst frei von negativen und selbstzerstörerischem Verhalten“, ermutigt werden. Karl Wegmann