„Wurzeltreffen“ der Grünen Liga in Potsdam

Diskussion über den „unverwechselbaren Ansatz“/ „Getrennt marschieren, vereint schlagen“ — Moltkes Taktik für grüne Ideen  ■ Aus Potsdam Irina Grabowski

Spontan schlossen sich im November 1989 kirchliche Umweltgruppen, Arbeitskreise „Stadtökologie“ des Kulturbundes und örtliche Umwelt- und Naturschützer zur Grünen Liga zusammen. Satzungsstreit, Papierprogrammatik und ordnungsgemäße Vereinsmeierei hatte keiner im Sinn. Den eigentlichen Gründungskongreß schob man im Februar nach. Doch mittlerweile wurden nervenzerrende Diskussionen über den Horror vor jeglicher Bürokratie von der Einsicht abgelöst, daß sich die Grüne Liga mit dem Vereinsgesetz abfinden muß.

Was ist die Sache, um derentwillen die Grüne Liga dieses Opfer auf sich nimmt? Der „unverwechselbare Ansatz“ schwebte durch die Räume des ehemaligen Spartakus-Klubs in Potsdam. Dort trafen sich am Wochenende Grünligisten aus allen Ländern der Ex-DDR zum „Wurzeltreffen“. Erschienen waren vor allem die „Hauptwurzeln“ — Projektemacher, die zwecks Koordinierung und Präsentation zu Geschäftsführer und Landessprecher herangewachsen sind. Bevor die Grünligisten sich im Streit über „Manifest“ und Satzung — beides wurde in der Berliner Hauptgeschäftsstelle ausgetüftelt — zu ihrem Selbstverständnis durchringen sollten, wurde im Plenum zusammengetragen, was vor Ort im Namen der Liga passiert. In Schwerin wird man zusammen mit Greenpeace öffentlich Müll sortieren, in der Jessnerstraße in Berlin entsteht das Ökoblatt 'Der Rabe Ralf‘. In Erfurt wehren sich Bürger dagegen, die Erfurter Altstadt — dieses einmalige Flächendenkmal in Thüringen — zur Einflugsschneise verkommen zu lassen, nur damit der Frankfurter Flughafen entlastet wird. In Erfurt hat sich die Grüne Liga eine ehemalige KGB-Villa für Initiativen und Projektgruppen an Land gezogen. Solche „Grünen Häuser“ entstehen auch in Chemnitz und Dresden. „Tätigkeitsfeld im kommunalen Bereich“ und „Förderung der Basisarbeit“ faßt das „Manifest“ zusammen, was die Grüne Liga nährt. Doch: „Die Grüne Liga will mehr!“ Und zwar „fördernd und initiierend mitwirken an der Entwicklung einer zukunftsvollen Öko-Kultur“. Das sei zu unkonkret, kritisiert ein Umweltschützer aus Potsdam. Wie soll er Sympathisanten gewinnen — mit dem Spruch von der „Ökologisierung der Gesellschaft“? Die Ausrichtung der Umweltgruppen habe sich verändert, meint Jürgen Bent-Bärtl aus Halle. Zu ihm kommen Leute, die Auto, Kopierer, Zivis für ihre Projekte borgen wollen. Die kontinuierliche, fachliche Arbeit lasse sich schwerer an. Wer Umweltschutz in Halle meint, käme zwar an der Grünen Liga nicht vorbei, doch nur mit spektakulären Aktionen würde er mehr als eine Handvoll Leute erreichen. Und mit glänzenden Augen erzählt er von der Besetzung des Hufeisensees. Dutzende Faltboote hatten die Nordischen Wasserskimeisterschaften blockiert.

An die Substanz ging der personelle Aderlaß nach den Maiwahlen: Kompetente Grünligisten gingen in die Rathäuser. Harald Wilken, Umweltrat in Cottbus-Land, interpretierte das von Klaus Schlüter aus Schwerin eingebrachte Moltke-Zitat „Getrennt marschieren, vereint schlagen“ nicht nur Liga-intern. Die Verbindung zwischen den hauptamtlichen UmweltarbeiterInnen in den Parlamenten und den Verbänden muß hergestellt werden. Die DDR- eigene Öko-Bewegung war Ursprung der Grünen Liga. Dieses Potential will die Organisation in die Gemeinschaft der Umwelt- und Naturschutzverbände einbringen.